23.01.2024

Briefe



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ID: 22595
Geschrieben am: Mittwoch 05.03.1856
 

Mittwoch Mittag.
Liebste Clara
Eben kommt ein lieber Brief von Ihnen mit einem ganz herrlichen Programm. Die werden immer schöner! Ich muß Ihnen jetzt einige Zeilen schreiben, mir kommt die Zeit bis Abend lang vor. Das ist eigentlich bei mir die gesetzmäßige zum Schreiben.
Aber so schön ging Ihnen ja wohl noch auf keiner Reise jetzt wie dort, ich habe immer die größte Freude darüber. Das macht Ihnen auch wohl den Gedanken an England etwas leichter.
|2| Das Buch von der Arnim werde ich nicht öffnen, ich kann’s nicht übers Herz bringen; es ist so hübsch eingepackt mit grünem Band, daran haben Sie noch gewiß Freude.
Ein Brief aus England kommt mit, ich mußte hinten u. vorn hinein sehen aber man erwartet Sie!
Gestern war ich bei Frl. Leser mit Grimm. Die junge Blanc war da u. ich habe mich ordentlich erfreut über die frische Schönheit.
Joachim schrieb mir u. schickte mir einen David, (Ihre Angelegenheit betreffend) u. einen von Frl. Meysenbug mit.
Der Brief v. David ist recht erfreulich |3| schon als ich in L. war, war Alles in schönster Ordnung u. sollte es los gehen nur beredet müßte noch werden, jetzt wieder, und bittet D., Joachim möge ja kommen damit sie schön überlegen könnten.
Frl. v. M. lädt mich ein nach Detmold, ich gehe aber doch nicht anders, als mit bestimmter Aussicht auf Verdienst, <die> Zeit habe ich viel genug verschwendet. J. schreibt dann, er will Arbeiten schicken, erinnern Sie ihn doch u. treiben Sie ihn in H. Mir würde recht vergnügt beim Arbeiten sein wenn so hin u. her geschickt würde mit Bemerkungen u. Neuem versehen.
Ich schwelge in Mozarts Sonaten! Dann werfe ich den Kirnberger wüthend zu u. weg.
|4| Daß Sie aber gleich nach einem Tabacksbeutel laufen! Ich meinte wir wollten den hier einmal gemüthlich finden! Ich muß auch selbst suchen, es muß irgendwo darin ein kleiner Platz frei sein, für zwei Buchstaben oder sonst was, durch eine kl. Tasche für Schwamm etwa könnte das dann natürlicher und ungezwungen gemacht werden.
Ich bekomme Schönheitssinn, nicht wahr? Ja, wenn man so lange mit einer schönen Frau umgeht u. Alles immer hübsch geschmackvoll u. herzlich zugleich sieht, dann kriegt man doch etwas ab.
Ich habe aber gar nicht natürliche Begabung dazu.
|5| Die vier Dürer’schen Apostel habe ich mir von der Wand genommen wo sie mir zu hoch hingen. Sie liegen auf dem Sopha damit ich sie besehen kann.
Eine schreckenerregende Predigt für unartige Kinder lege ich Ihnen bei (mit bekanntem Text!) Mit vielem Pathos zu singen!
Nun muß ich wohl schließen, essen gehen u. dann bei Jung die erste Stunde geben. Ich versitze immer die Zeit beim Schreiben so ich denke dann mehr an Sie, als ich schreibe.
|6| Wie lange bleiben Sie denn in Leipzig u. in Prag?
Schreiben Sie mir von dem Begegniß mit Ihrem Vater u. ob Alles ohne Ärger u. Verdruß abgehn wird.
Sein Sie tausendmal gegrüßt meine geliebte Clara.
Kommen Sie bald, ich warte sehnlich wie noch nie.
In aller Liebe
Ihr
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Prag
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
477-480

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,86
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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