23.01.2024

Briefe



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ID: 22569
Geschrieben am: Donnerstag 01.11.1855
 

Liebe Clara,
Gestern kam Ihr Brief aus Hannover, Heute (so eben beim Frühstück) der aus Berlin. Recht Erfreuendes steht drin, daß das Concert so gut ausgefallen u. die Probe so schön gewesen etc. Ich dachte auch viel Ihrer beim Joseph in Ägypten, die schöne einfache Musik klingt mir noch immer in den Ohren.
Daß Sie meine Gavotte gespielt haben! Wie wunderte ich mich. Doch glaube ich, die vorhergehende Sarabande wird gut thun, es macht dann erst lebhafteren Eindruck. Es ist, wie mit Sonatensätzen, die auch einzeln nie die Wirkung |2| machen, wie im Zusammenhang.
Das Andante hinter dem ernsten ersten Satz beruhigend etc. Das Scherzo wieder hinter u. gegen das Andante u. s. f.
Aber mit rechter Freude hab ichs im Geist gehört, wie schön spielten Sie’s immer!
Und Pinchen hat sich nicht geändert? Ich dachte, die Liebe hätte ihr Nachtigallen-Organ u. Gazellen-Wuchs (ein mehr längliches Format) verschafft.
In unsrer prosaischen Zeit ist gar nicht daran zu denken daß die Liebe noch solche Gewalt haben könnte.
An Grimms Locken sah ich schon daß da Hopfen u. Malz verloren sein.
|3| Denken Sie, wie sonderbar: Montag Abend unterhielt ich mich noch mit Otten sehr eifrig über Ihres Mannes Ouverture zu Faust u. er freute sich königlich daß es diese gäbe was er nicht gewußt.
Und Mittwoch Früh lese ich in der Zeitung daß G. D. Otten die so eben erschienene Ouverture zu Faust von Richard Wagner „jedenfalls in einem seiner Concerte zur Aufführung bringen werde.“
Nun muß ich ihn doch fragen weshalb er sich einen Tag vorher so angelegentlich nach einer andren Faust-Ouv. erkundigte, wenn er schon eine in petto hat, er kann doch nicht ein ihm unbekanntes Werk aufs Gradewohl anzeigen u. auf gut Glück aufführen wollen?
|4| Daß Sie an Julchen solche Freude haben, wie ist das schön! schreiben Sie mir davon u. wie sie aussieht u. ob sie noch lustig ist. Was macht denn Bargiel u. Joachim Grüßen Sie sie u. H. Grimm u. Ihre Mutter u. Tochter.
Avé’s Schwiegervater ist Gestern gestorben; er dankt noch immer Gott, daß er nicht reich ist wie seine Brüder u. Schwäger sondern sein täglich Brot mit Müh u. Noth verdiente; der Gute! wenn er’s nur nicht so oft sagte.
Die Meinen grüßen Sie herzlichst, ich lege Ihnen Blumen hinein, die beim Caffe standen, da dachte ich, sie [sic] hätten auch gewiß welche vor sich.
Lassen Sie Sich recht innig umarmen
von Ihrem
Johannes.
Donnerstag d. 1ten Nov. 55.
Das Geld von Härtels ist Gestern gekommen.
Grüßen Sie Julchen von mir! Meine liebe Clara!

  Absender: Brahms, Johannes (246)
Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
411ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,65
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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