23.01.2024

Briefe



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ID: 22557
Geschrieben am: Mittwoch 15.08.1855
 

Mittwoch.
Geliebte Freundin,
Ich muß doch ein wenig mit Ihnen plaudern, es ist so gemüthlich u. thut <so> mir so wohl. Freilich weiß ich nicht wovon, das Allergewöhnlichste müssen Sie eben anhören, wie ich den Tag verbringe u. was mir für wichtige Personen begegnen!
Joachim ist noch nicht da, auch kein Brief.
Mich stimmt die neue Wohnung viel besser als es sonst ist, wenn Sie fern.
|2| Es gefällt mir hier ausnehmend, für Düsseldorf ist die Wohnung paradiesisch.
Ich bin meistens in Ihren Zimmern auch jetzt in Ihrem Cabinet.
Recht viel lese ich in Arnim u. bin sehr begeistert von ihm. Ich kann nicht begreifen, daß Arnim nicht mehr (von vernünftigen Leuten) gelesen wird. Er ist einer meiner liebsten u. verehrtesten Dichter u. wird es immer mehr, je <> tiefer ich Alles verstehen lerne u. fasse.
Sie haben doch den Waldemar mit, lesen Sie ihn doch u. besonders staunen Sie über den ersten Theil, |3| wie das ruhig fort schreitet u. immer mehr packt, Schlag auf Schlag.
Ich habe Ihnen mehrere seiner Schauspiele mitgegeben, nicht wahr?
Heute war ich bei Frl. v. Meysenbug die recht ziemlich gut spielt. Sie gefällt mir ganz wohl. Bach ist ihr ganz fremd, sie spielt ihn ohne alles Verständniß.
Gestern war ich bei Frl. Leser, nie habe ich die Wittgenstein so viel lachen hören. Da mochten Geschichten von der Straße erzählt od. Sonaten von Beethoven gespielt werden, sie lachte, seufzte, himmelte, bewunderte mit. Ach, Ach, Ach, Gock, Gock Gock Kräh!
|4| Wie wird’s denn nun mit Kiel? Bleiben Sie dort oder wollen Sie nach Ostende? Ich jammre dann nur über die verlornen 8 Tage. Ich geize um jeden Tag den ich mit Ihnen zusammen leben kann. Ich möchte es Ihnen wohl rathen, es ist wohl das Beste aber recht ärgerlich ist doch die unnütze Reise, die so viel Zeit kostet. Schreiben Sie mir darüber?
Ich will jetzt an Vater schreiben wegen des Plutarch. Freilich u. gewiß denke ich mit großer Wonne daran ihn zu besitzen aber doch habe ich lang gezögert darum zu schreiben. Ich bitte Sie schenken Sie mir nur nicht mehr, als zum Andenken an Weihnacht od. Geburtstag ein ganz kleines Buch. Ich habe so viel so sehr viel Liebes von Ihnen; ganz glücklich macht es mich immer, wenn ich mich umsehe u. denke daß ich Alles von Ihnen habe, Anderes sehe ich gar nicht, ich begehre auch nicht von Andern. Sein Sie tausendmal gegrüßt von
Johannes.
Alle lassen grüßen, ich doch am meisten.
(Bemerken Sie mir doch immer jeden Brief von mir wie ichs Ihnen thun will, damit keiner unwissentlich irgend wo liegen bleibt. 3 gegen 4 steht jetzt die Rechnung.[)]

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Düsternbrook
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
382ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,55
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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