23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 22541
Geschrieben am: Montag 25.06.1855
 

d. 25ten Montag früh
Heute Morgen kam noch kein Brief von meiner allertheuersten Freundin, doch hoffe ich ganz bestimmt, ehe eine halbe Stunde vergeht, schreibe ich ganz selig hierunter daß einer kam, denn die Uhr geht auf 11.
Ich will Ihnen so lang von Gestern erzählen, meine Liebe; den Nachmittag waren Joach. Allgeyer u. ich zum Grafenberg, es war erträgliches Wetter, eben nicht hoffnungsvoll, trübe, Heute ist’s auch wieder dunkel.
|2| Die Hauptsache ist, daß ich jetzt eine Leidenschaft wieder fürs Springen habe. Sie sollen sich wundern, ich springe ganz gut u. sehr ausdauernd, mindestens noch einmal so weit als ich lang bin, u. hoch!
Statt nach der bekannten „schönen Aussicht“ gingen nach den Geresheimer Hügeln wo ichs eigentlich schöner finde, wir müssen recht ┌oft┐ zusammen hin!
Den Abend musicirten wir etwas bei J.
Nach Mehlem bin ich nicht gekommen, wie Sie sehen. Statt dessen hat der junge Deichmann Gestern seine Karte hier abgegeben, ich weiß ┌nicht┐ ob er wiederkommt.
|3| Gestern habe das Concert u. m. Balladen an Senff geschickt, 8 Frdors gefordert. Dienstag können sie wieder hier sein.
Wenn Sie endlich wiederkehren, freue ich mich darauf daß wir Herder gesammelte Volkslieder zusammen lesen, das müssen wir vor Allem.
Wie sehne ich mich nach Ihrer Rückkehr; ich kann gar nicht mehr existiren ohne Sie, mich verlangt’s so danach, Ihre Hand wieder halten zu können, bei Ihnen zu sitzen. Es kömmt mir Alles u. Jedes so kalt vor.
Gestern zum Johannestag hat mir Frl. Leser einen großen Kuchen geschickt. Das ist mir noch nie passirt, zum Namenstag! Heute Abend sollen wir bei Gude sein.
|4| Nun, Ihr Brief hat mich doch noch erfreut, umsonst hofft u. harrt man selten so innig.
Freitag, Sbd, Stg, u. Heute habe ich geschrieben, für die früheren Tage darf ich freilich meinem Gedächtniß nicht trauen, glauben Sie mir aber wenn ich Ihnen sage, daß es mir sehr wehe thut, lese ich, daß Sie einmal umsonst auf einen Brief warten.
Sie sollen’s jetzt nicht mehr.
Joachim war eben hier, Herm. Grimm wird hier in dieser Zeit durch reisen, daher weiß er gar nicht recht was er schreiben soll. Nun, er wird wohl jedenfalls kommen u. ich will hier warten u. mich sehnen, wie schon Manchmal.
Mir wird es schon zu lang, viel zu lang, daß wir auseinander sind.
|5| Sehr traurig ist es mir immer, daß ich Ihnen Nichts aus Endenich schicken kann, Heute od. Morgen muß aber wohl die gewöhnliche Nachricht der Ärzte kommen?
Wenn ich nur im Geringsten Hoffnung gehabt hätte, den theuren Mann sehen od. sprechen zu können, ich wäre jedenfalls gereist. Aber dazu habe ich keine Hoffnung. Nun, ich glaube fest es wird sich bei Ihrer Rückkunft einmal wieder Ihrer beider Sympathie recht zeigen u. Robert grade zu Ihrer Wiederkehr einen Brief schicken. Doch wollen wir nicht zu fest solches hoffen.
Daß Sie nach Pyrmont wollen, scheint mir sehr vernünftig, u. besser als |6| Ostende oder gar Butbus gefällt’s mir, weil ich doch einigermaßen nachkommen kann.
Nun, Lebewohl, liebe mich fort wie ich Dich
immer u. in alle Zeiten hinaus.
Ganz Dein
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Detmold
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
364ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,48
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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