Meine geliebteste Clara,
Heute Morgen las ich Ihren lieben Brief 1/2 8 noch im Bett!
Ich hatte lang gelesen u. wachte oft. Ueberhaupt aber stehe ich jetzt nicht gern auf, denn ob ich früher od. später hinunter komme u. allein Caffe trinke, wie gleichgültig.
Joachim war Gestern so sehr erkältet, daß er bis gegen Abend im Bett lag. Den Abend waren Dietrich u. ich bei ihm.
|2| Recht leid thut es mir, daß Sie, wie wahrscheinlich, Briefe so unregelmäßig bekommen. Ich habe doch täglich geschrieben, so viel ich denke u. immer müssen Sie 2 Tage warten.
Mich hat nie das Wetter so furchtbar verstimmt wie in den letzten Tagen. Gestern war ich ganz u. gar unglücklich. Heute endlich scheint die Sonne, u. der Himmel ist etwas blau.
Unmöglich kann ich Ihnen bestimmt schreiben ob ich nach Mehlem reise od. nicht. Ich |3| glaube kaum, denn Morgen wollt ich fort u. es sieht mir gar nicht danach aus. Denken Sie Sich nur immer mich hier, einsam u. immer Ihrer denkend.
Ich fürchte sehr, Sie kommen vor Sonntag nicht! Es wäre wohl vernünftig ich erwartete Sie hier. Ich dachte früher, im Dorf od. Städtchen zu bleiben aber durchaus <nicht> habe ich den Kreislerschen Muth an Hof zu gehen. Das macht mir Angst.
Wenns gutes Wetter, da denken Sie an uns bisweilen auf dem Grafenberg, dann freue ich mich auch Ihrer daß Sie weiter gehn können.
Meinen herzinnigsten Gruß
Johannes
Sonntag
V. S.
|4| Bevor wir auf den Grafenberg wandern auch von mir einen schönsten Gruß! Ich bin heute wieder sehr guter Dinge, trotz des noch immer unfreundlichen Wetters. Wir haben eben an Ihrem Tisch das Johannis-Fest gefeiert über welches Eugenie und Compagnie an einem großmächtigen Kuchen besonders ihre Freude ausließen; Eugenie sah mit einem Kornblumen-Kranz vom Felde allerliebst aus! Für heute nur noch: auf baldiges Wiedersehen
Joseph Joachim
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