23.01.2024

Briefe



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ID: 22480
Geschrieben am: Mittwoch 21.03.1855
 

D. 23ten März 55. Mittwoch
Meine geliebteste Clara,
Heute Früh kam kein Brief von Ihnen, wie sehnsüchtig erwarte ich jetzt jede Post, jeder Tag wird mir jetzt zur Ewigkeit, ich kann Nichts mehr anfangen, mich nicht rühren zum Arbeiten. Ich kann nicht spielen u. gar nicht denken.
Gewiß bleiben Sie noch länger, ich hoffte auch schon nicht mehr daß Montag endlich das letzte Concert sei.
Sein Sie doch recht ruhig u. denken, hoffen Sie wie ich daß Sie hier Sich wieder von Manchem erholen können u. Manches |2| leichter tragen, wie will ich sorgen darum. Recht schmerzlich berührt’s mich, wenn ich alle Ihre Briefe von dieser Reise durchsehe. Die ersten klingen so muthig, so Chiarisch wie traurig die letzten.
Aber ich kann ja nicht einmal ruhig oder gar froh schreiben u. ich ertrage doch nur die Trennung. Ich sollte Ihnen eigentlich nicht mehr schreiben, ich mache Sie nur trauriger.
Hätte ich die Manfred-Musik mit Ihnen hören können! Das ist doch mit dem Faust das Herrlichste was Ihr Mann geschaffen.
Im Zusammenhang u. in Verbindung mit dem Text möchte ich’s aber hören.
|3| Welchen erschütternden Eindruck muß es machen. Die Melodramen sind mir oft unbegreiflich, so Astartes Erscheinung u. Sprechen. Das ist allerhöchste Musik-Sprache, das ergreift bis ins tiefste Herz.
Auf Eines freue ich mich recht, womit wir uns die Zeit vertreiben sollten, außer mit Spazierengehen – mit Contrapunct! Wir sollten uns Aufgaben setzen, beide die gleichen u. dann sammeln u. zusammentragen. Kömmt Joachim dann, so muß er mit.
Wir sprachen oft davon, zusammen solche Studien machen zu wollen.
Ich denke es mir wundervoll interessant u. lustig, für erträgliche Aufgaben will ich schon sorgen.
|4| Spazierengehen müssen wir recht viel, im Frühling hält man’s auch gar nicht lang im Zimmer aus.
Nun warte ich um 12 wieder mit der größten Angst auf Brief. Sie könnten Heute Abend schon hier sein – aber auch in Rostock!
Wüßt ich nur ob Sie Montag nach dem Concert vergebens auf einen Gruß von mir gewartet haben od. ob mein Brief von Berlin zu rechter Zeit kam.
Wüßt ich nur, ob Sie jetzt in Berlin.
Verzeihen Sie mein Schreiben aber ich kann nicht anders, meine Gedanken sind nicht zu Haus, weil Sie’s nicht sind.
Den schönsten Maigruß sende ich Ihnen!
Wenn wir nach Ellern gehn sehn wir Schneeglöckchen im Freien.
Ihr
Johannes.
Von Härtel, Dietrich u. Siegel folgen Briefe bei. Siegel schickte das span. Liederspiel mit. Härtel zu meiner Wonne Klengel Bd. I u. Portraits von Ihnen etc.
Tausend u. tausend Grüße!

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
339ff.

  Standort/Quelle:*) Autograph D-B: Mus. Nachl. Schumann, K. 7,41
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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