23.01.2024

Briefe



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ID: 22452
Geschrieben am: Mittwoch 24.01.1855
 

Ddf. 24ter Jan. 55.
Innigst geliebte Freundin
Wie schnell ist man getrennt! Noch Gestern Mittag standen wir beisammen u. jetzt so weit. Sie bereiten sich wohl aufs heutige Concert vor u. denken schon der morgigen Reise u. Anstrengung, ich, ein Mann sitze unthätig u. darf u. kann nur an Sie denken. O dürfte ich für Sie arbeiten, könnten wir tauschen, wie gern thät’ ichs. Wie hat mir die kurze Zeit des Beisammenseins gelehrt, was |2| Sie aushalten müssen, ich zweifle daß ich es könnte an Ihrer Stelle.
Ihr theures Bild fand ich hier vor u. eignete mir gleich das eine zu, ich bin sehr glücklich darüber. Noch nie schien mir ein Bild so lebendig. Wenn ich’s länger ansehe, treten Sie ordentlich heraus, ich glaube Ihnen die Hand geben zu können; Und Alles so bekannt an ihm, das Kleid, die Ringe, das Armband.
Die lieben Ihrigen sind Alle wohl. Bertha u. die Kinder freuten sich recht. Den Brief aus Emmerich |3| habe ich bekommen u. mir ganz gut gedacht, er sei neu.
In meinem Zimmer sitze ich wieder, Ihr Medaillon <vor mir>, der Camelien-Stock aus Ihres Roberts Zimmer mit einer aufgeblühten u. vielen <spr> Knospen vor mir. Alles so traulich u. schön, wie sonst, nur in Ihrem Cabinet u. im Clavierzimmer wars mir zu einsam.
Ich werde <Sie> wohl nicht <S> um 3 Uhr gehen, Sie zu wecken, es ist gar zu leer im Zimmer.
Jetzt bereue ich schon, Ihnen nach gereist zu sein, wäre ichs noch nicht, da dürfte ich’s jetzt und das wäre |4| mir den Augenblick viel lieber.
Ich lege Ihnen 3 Briefe von M.-B. zur Auswahl bei. Ich fürchte, mein Brief trifft Sie nicht mehr in Amsterdam, ich kam erst den Nachmittag in Ddf. an. Der Postwagen verspätete sich in Emmerich u. 3 Herren u. ich mußten mit Extrapost bis Oberhausen fahren u. um 2 von dort.
Ich denke schon mit Sorgen daran, wenn Sie die Reise machen, doch, wenns nur erst so weit ist! Jetzt gehts doch noch schlimmer. Ich bin gesund hier angekommen, habe unterwegs u. bis jetzt auch hier nur an Sie gedacht. Ich sehe Sie recht deutlich in Ihrem Zimmer, weiß ich doch jetzt wie Sie <ni> auf der Reise leben. Ich will schließen; meine theuerste Freundin, bald mehr, das soll nur ein Gruß aus der Heimath sein von
Ihrem
Johannes.
Von Frl. Bertha viele Grüße.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Rotterdam
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
279ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,24
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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