Hbg Dec. 54.
Theuerste Freundin,
Eben habe ich den ersten Accord der Balladen geschrieben, aber meiner Schwester Feder taugte nicht zum Notenschreiben u. meine eignen kann ich nicht finden, da will ich denn Ihnen einige Worte schreiben.
Eigentlich sollte ich an Bargiel u. Joachim schreiben, aber ich denke, man läßt mir für 2 Briefe Zeit.
Ich vergaß in m. letzten Brief etwas zu schreiben was mich sehr beunruhigt.
Ihr Mann liest viel Zeitungen, ist das nicht sehr riskant? Bitten Sie doch ja den Arzt, die Zeit. vorher genau durchzusehen, ob Nichts von Ihnen darin steht.
Fast in jeder Nummer der illustrirten Z. steht von Ihren Reisen.
|2| Wie begierig bin ich zu erfahren, was Sie über meine Weihnacht-Gedanken <sagen> denken. Eigentlich habe ich wohl Nichts gesagt, ach wer weiß denn da zu rathen!
Ich möchte, der Arzt stellte mich zu Weihnacht als Wärter u. Pfleger an; Wenn das ginge, ich glaube, dann wäre das Schlimmste überstanden. Ich würde Ihnen täglich von Ihm schreiben und Ihm erzählte ich den ganzen Tag von Ihnen.
Was meinen Sie, schenken Sie Ihm mehr als das Portrait, wie ich schrieb u. recht besonders schöne Blumen?
Dann, wenn Sie denken Ihm die Balladen (oder auch das Andre) zu schicken, müssen Sie wohl erst beim Arzt anfragen, ob Hr. Sch. am Weihnachtabend das Pianoforte benutzen kann, sonst ist es wohl besser, die Noten werden Ihm später übergeben.
|3| Joachim u. Bargiel u. Brahms müssten ihre neuen Sachen zusammenthun!
Was meinen Sie dazu
Noch etwas muß ich Ihnen schreiben, was mich sehr betrübt, ich bringe Ihnen keine neue Note mit! Ich konnte nicht; Wie wenig Ruhe ließ man mir, Heute Hr. Marxsen od. mit ihm ┌anderswo┐, dann Avé, Otten und wie sie Alle heißen. Wenn ich dann auch mal frei habe, so muß ich mit Vieren in einem Zimmer sein, es läuft immer aus u. ein. Dann denke ich so viel (od. immer) an Sie u. wie gern ich bei Ihnen wär, ich bin ganz mißmuthig, lange hielt ichs nicht mehr aus. Montag früh werde ich wohl nach Hannover fahren. Sonntag muß ich mein Trio bei Otten früh 9 probiren 2 1/2 vorspielen; Wieviel Violinspieler haben schon abgesagt, wie viel Mühe u. wie wenig Lust habe ich dazu.
|4| Heute erwarten wir meinen Bruder zurück von Leipzig, ich freue mich recht darauf ihn wieder zu sehen, wie mag ihn der Umgang mit Comtessen verändert haben?
<Diesen Brief>┌Bis jetzt┐ schrieb ich, während 5 sich sehr lebhaft im Zimmer über meinen neuen Rock unterhielten, jetzt habe ich sie hinauszubringen gewußt, aber sie halten mich wieder für einen mürrischen, groben Flegel; mit dem ganzen Kaffegeschirr rannten sie davon, meine Tasse steht ganz verwaist neben mir.
Ein andres Mal gehe ich nicht aus Ddf, wenn Sie mich verlassen! Wie gern hätte ich Ihnen eine recht hübsche Sonate geschrieben, lieber als all dies Gewäsch. Sie haben auch gewiß oft gedacht: „was hat Johannes für mich gemacht?“
Noch von Gestern muß ich Ihnen erzählen, wir waren bei v. Linds u. spielten die beiden Violinsonaten Ihres Mannes, den 1ten Satz |5| der B dur Son. v. Schubert, Etudes symphoniq. u. Carnaval.
Ein schönes Programm, nicht wahr?
Die Violinsonaten spielte ich mit demselben wechselnden Gefühl, mit dem ich mich entschloß sie zu spielen.
Singer spielte sie recht sehr gut, aber wie ein Schüler gegen Joachim.
Solches Spiel hört man doch nie sonst!
Gestern u. Heute mußte ich mich wieder Singer opfern, er ist einmal hier, ich bin der Einzige der Zeit zu verbummeln hat, weil er sie nicht nützlich mit Dilettanten-Abrichten hinbringt. Morgen ist mein Bruder hier, Sonntag wird mein Trio vorgeritten, Ach! wär ich Montag bei meinem lieben Grimm!
Wie sehne ich mich, mindestens in der Eisenbahn-Kneipe mit ihm einen recht langen Abend sitzen <zu können> u. recht wieder von Herzen und laut einzig u. allein von Ihnen sprechen zu können.
|6| Die Menschen hier können es gar nicht, da kommen immer gleich die Schülerinnen ins Gespräch u. <deren> wann der nächste Musik-Abend sein soll.
Ich habe Ihnen zu gräßlichen Brief geschrieben, das sehe ich ein, ich schreibe Ihnen einen zweiten aus 1001 Nacht ab, er schildert meinen Zustand aufs deutlichste, trotzdem jener Schreiber Prinz war u. ich Componist.
Nachdem Ihnen also Johannes noch ganz vernünftig gute Nacht sagt, richtet der Bramine „sich mühsam von seinem Lager auf, nimmt Papier u. den Kalam zur Hand u. schreibt: (als Antwort auf Ihren letzten Brief):
|7| Im Namen Gottes des Gnadenvollen u. Allseeligen. ┌ Es versteht sich wohl von selbst, daß wir das Wort hier nicht in seiner baahren Bedeutung nehmen dürfen.┐ – Dein Brief, o Herrin, ist angekommen u. hat Balsam in eine von Sehnsucht u. Verlangen gequälte Seele geträufelt u. Heilung einem zerrissenen u. kranken Herzen gebracht. Dein ermatteter Sklave (wie schön!) hat alle die huldvollen Worte seines Inhaltes vernommen u. bei Deinem Haupte, o meine Herrin! ich bin in jenem Zustande, den der Dichter schildert: –
„Das Herz ist beklommen u. Bekümmerniß erweitert, u. schlaflos das Auge u. müde der Leib, verkürzt die Geduld, dauernd aber die Trennung u. der Verstand in Verwirrung u. das Herz verloren. – (Ach!) – Die Klage verlöscht zwar nicht den Brand des Kummers, aber sie bringt Linderung dem von sehnsüchtigen Verlangen Zerrütteten u. durch Trennung Leidenden.
|8| Wollte Gott, es wäre mir noch heute u. anstatt diesen Brief abzusenden, erlaubt, Dir mündlich zu wiederholen, daß ich aus Liebe für Dir sterbe. Mehr vermag ich vor Thränen nicht zu sagen. Lebt wohl. –
Kamaralsaman Ebn Brah.
„Als Ebn Brah mit seinem unter Seufzern u. Weinen verfaßten Briefe fertig war, trug er ihn zur preußischen Post, warf ihn in den Briefkasten u. sagte: „Ich beschwöre <Dich> euch, bringt diesen Brief meiner geliebten Herrin, u. grüßt sie von meinetwegen.[“]
J.