23.01.2024

Briefe



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ID: 22433
Geschrieben am: Donnerstag 30.11.1854
 

Hbg. 30ter Nov.
nach der 6 ß-Sperre
d. h. nach 11 Uhr.
„Lies ihn u. dann verbrenne ihn gleich, ich bitte Dich.“
Ja, da kann die liebe Frau Mama lange bitten, das geschieht nicht! das per expr. hat mich recht erschreckt!
Woran Sie mich so strenge erinnern, mit Seitenhieben auf d. ganze Männerschaft, das hatte ich nicht vergessen, ich kann’s aber nicht, warten wir, bis ich nach Ddf. kommen; Wollen Sie mirs bis dahin nicht übel deuten?
Die Bedingungen, welche Sie an das „Du“ knüpften, habe ich Ihnen schon längst in Gedanken zugesprochen. |2| Ich habe nichts Geheimes vor Ihnen. In Gedanken vertraue ich Ihnen Alles, <> ist’s nicht dasselbe, als thäte ich’s in Worten?
Hüten Sie sich vor Schwindel, ich will gern Alles in Ihrem Brief beantworten u. werde Sie viel hin und her ziehen.
In dem was Sie über Deichmanns schreiben, haben Sie Recht, jedoch nicht wenn Sie schreiben, ich hätte Sie wohl für zu ruhig gehalten. Weder in Hannover noch anderswo.
Im Gegentheil, fast zu sehr: c moll 3/4
Ob ich Sie nach Bonn begleiten möchte, schrieben Sie wohl nicht als Frage.
Lieber Morgen als Uebermorgen.
|3| Mendelssohn u. Kullack habe ich nicht zusammen gestellt! mit Namen, wie K. etc. habe ich Leute zum Besten, wenn ich mich ärgere. M.’s Namen gebrauche ich nicht vor schlechten Leuten u. nur, wenn ich besonders eitel auf ein Stück bin.
Sie sollten mir doch nicht <Glaub[?]> so wenig Urtheil u. so wenig Liebe zu natürlich inniger Musik zutrauen, (u. nicht allein solcher!)
Wer weiß, ob Sie oder ich seine Werke mehr lieben! In Lübeck gefiel Ihnen weniger an der A Dur-Sinfonie als mir; Freilich haben Sie die Werke M.s unendlich öfter gehört u. kömmt mir überhaupt nicht zu, so verwöhnt sein zu wollen, wie meine liebe Frau Mama.
Seit sie [sic] fort sind, war ich noch in keiner Kneipe, sein Sie also ganz ruhig deshalb, |4| meine Leidenschaft ist lange nicht so groß, als Sie glauben.
Was das „englische“ Paquet betrifft, so werde ich’s doch wohl mit nach Hann. nehmen, wenn Sie keinen andren Grund dagegen haben, als daß es mir Umstände machen würde.
Ich dächte, ich hätte Ihnen schon einmal versprochen, Quittungen beizulegen, ich thu’s Heute wieder u. wills wo möglich nicht vergessen.
Avé hat mir 1 rh 8 ß für Sie gegeben, das Uebrige von 2 rh zieht er ab für Porto. Sie haben mir doch keinenfalls übel genommen, daß ich Frl. Sch. 2 rh zurück gab?
Meinen Brief fanden Sie nicht in Breslau vor? Ich schrieb Ihnen gleich, freilich wenig, vielleicht = 0.
|5| <> Ihren Brief an Otten habe ich gleich Heute Abend besorgt, Sie haben ihn sehr erfreut; Wie haben Sie mich erfreut u. beglückt durch den so freundschaftlichen Brief!
Weshalb kann ich Ihnen nicht auch so recht zeigen, wie hoch ich Sie liebe u. verehre. –
Heute war Probe von Beethovens Meeresstille u. 9ter Sinfonie. Die 9te ging schauerlich. Grund rang förmlich mit ihr. Kein Tempo recht[,] immerfort schwankend.
Wo für einen halben Takt rit. steht zögert er 6 Takte.
7 Tenoristen waren in der heutigen Probe u. es sind nur 2 (Heute u. Morgen) für Chor u. Orchester zusammen.
|6| 2 1/4 Uhr sollte angefangen werden u. gegen 3 Uhr fehlten noch 2 Hornisten etc. Die Soprane singen:
im 6/8
etc
.
Und<t> dieses alten, vertrockneten Philisters wegen, der seit 20 Jahren alles Musikleben in Hbg. tödtet, können junge frische Leute wie Otten u. Grädener nichts anfangen, müssen ihre Zeit mit Stundengeben hinbringen u. können durchaus zu keiner öffentlichen Wirksamkeit gelangen.
Leben Sie wohl für Heute, es wird so laut neben mir gesprochen, daß mir das Schreiben zu schwer wird. Tausend Dank noch einmal für Ihren letzten Brief, ich freute mich besonders, daß nicht <> die Hälfte des Briefes vollendet war, wie Sie im Vorletzten schrieben, sondern nur 1/11.!
Möchten Ihnen diese schweren Reisen recht leicht werden, was wollen Sie Alles aushalten?
Ihr
Johannes.

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
Empfangsort: Berlin
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
241-244

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K. Schumann 7,16
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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