23.01.2024

Briefe



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ID: 22427
Geschrieben am: Freitag 01.09.1854
 

Theuerste Frau,
Endlich erfreuen Sie uns doch durch die Nachricht, wann Sie wiederkehren, u. daß Sie bald unter uns sein wollen, den 7ten, 8ten spätestens den 9ten nicht wahr?
Wir wollen Sie recht warm halten, daß Sie erstarken u. die Nachwirkung des Seebades mehr nütze als sein Gebrauch, denn ich glaube, Sie kommen nicht so gesund u. stark wieder als Sie gingen!
Wieder komme ich Ihnen mit einer Bitte, u. natürlich mit einer die sich nicht ziemt.
|2| Haben Sie sich etwa schon vorgenommen, jede kleine Andeutung, jede, so nahe liegende Erinnerung an den 13ten d. M. in den Briefen a. d. Ärzte zu vermeiden?
Wahrscheinlich bekümmert Hr. Sch. sich wohl nicht um das Datum (überhaupt!) vielleicht doch, u. da möchten dann d. Ärzte verhüten, daß Hr. Sch. dies Datum erfährt.
Obgleich ich durchaus nicht erwarte, daß Hr. Sch. auf irgend eine Weise an den schönen Tag erinnert, so ist es mir doch ein unangenehmes Gefühl, zu denken, daß man ihn so darum herum führt.
Vielleicht haben Sie schon dasselbe gedacht? Oder sind Sie andrer Meinung darüber? Ueber den Brief des Arztes, auch sonst über den theuren Kranken lassen Sie uns bald |3| sprechen, ich kann hierüber nicht gut weder Ihnen noch Andern schreiben.
Fräulein Schönerstedt ist vorgestern hier angekommen; sie denkt hier zu bleiben, wenn Sie geneigt sind, ihr Unterricht zu geben.
Da sie hier keinen Flügel bekommen konnte, dachte sie nach Bonn u. Köln zu schreiben. Grimm hat ihr indeß den seinen angeboten, u. miethet sich den jämmerlichsten Klimperkasten! (von J–I.)
Solche Aufopferung geht über meinen Horizont, ich denke immer, Damen (nicht Sie!) verhungern nicht so bald ohne Instrument. Nachher wird Frl. Sch. der Flügel nicht einmal gut genug sein.
Habe ich Ihnen nicht gesagt, daß Servais u. Consorten besser in ein Concert (besonders in e. Bad!) |4| passen, wie Sie.
Ja, wenn Sie auf dem Theater vorkämen!
Sie geniren ja nur die kleinen Leutchen, so ungeheuer ernste Falten können die nicht ziehen! Die Armen kommen sich ja fast selbst erbärmlich vor u. merken fast, daß sie Andern auch schon so vorgekommen sind.
+++ Servais hat mir übrigens königlichen Spaß gemacht in Hannover, ich hatte ein Opernglas u. konnte mich nicht satt sehen an seiner herrlichen Mimik; Sie haben doch ein gutes Glas bei Sich gehabt u. die Ohren etwas verstopft?
(Zeigen Sie dies Niemand, das ist Alles sehr dumm.)
Vom 7ten an werden Sie sehnsüchtig erwartet, lassen Sie doch nicht länger warten!
Viele Grüße von Grimm u. mir Ihnen, Frl. Leser u. Frl. Jungê.
Ihr
Johannes Brahms
Ddf. D. 1ten Sept. 54 (Marie lassen wir Heute leben!
den 13ten?)

  Absender: Brahms, Johannes (246)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort: Ostende
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
202ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K.Schumann 7,8
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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