Frankfurt a/M d. 19 März 95.
Liebe Frau Hildebrandt,
darf ich Sie wohl mit einer Bitte belästigen? Ueberbringerin Dieses Fräulein Röderstein, eine liebe, sehr talentvolle Malerin, die hier lebt, ist jetzt in Florenz, und wünscht so sehr Ihnen vorgestellt zu werden. Ich konnte ihr die Bitte |3| um einige Zeilen an Sie nicht abschlagen, und nicht wahr, Ihr gütiges Herz zürnt mir nicht wenn ich Ihnen damit, eine kleine Mühe auferlege. Frl. Röderstein würde natürlich gern ’mal das Atelier Ihres theueren Gemahls sehen. Ich glaube, sie wird Ihnen sympathisch sein, wie hier Allen, die sie kennen.
Wie lange habe ich Sie und den lieben Gatten nicht gesehen! |2| Ich denke, er ist wohl noch in München, und beabsichtige einige Tage dorthin zu reisen. Frau Fiedler hat uns so freundlich eingeladen, und sehne ich mich nach den lieben alten Freunden. Vor allem freue ich mich auf das herrliche Werk Ihres Mannes, nicht minder auf ihn selbst den lieben prächtigen Menschen, der mir immer so gütig gesinnt war. – Daß ich Sie nicht finden werde ist mir sehr leid! |4| Liebe Menschen nicht mehr sehen zu können, denen man einmal im Leben näher getreten war, ist doch die größte Entbehrung im Alter!
Mögen es Ihnen, liebe Frau Hildebrandt mit ihren lieben Kindern6 recht gut gehen. Bewahren Sie ein freundschaftliches Gedenken
Ihrer warm ergeb
Clara Schumann.
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