Düsseldorf d. 17 Octbr. 1856.
Meine liebe Emilie,
kaum kann ich mich entschließen, Dir zu schreiben, denn abermals ist es, um unser Wiedersehen hinauszuschieben. Ich kann jetzt nicht nach München kommen, da ich Engagements-Anträge aus Kopenhagen erhielt, die mir etwas Sicheres boten – die Vernunft gebietet mir natürlich Solches nicht gegen Unsicheres abzulehnen, und so mußte das Herz schweigen. Jetzt (vorher) (den 8 oder 9 Nov. muß ich dort eintreffen) gehe ich nach Frankfurth, Karlsruhe, Darmstadt und Mannheim, weil ich das Alles in 14 Tagen abmachen kann. ┌ (In München wäre es zu weitläufig gewesen noch so schnell Alles zu arrangieren!) ┐ Ich habe mir nun vorgenommen etwa am 3 oder 4 Januar nach München zu kommen, am 1ten spiele ich in Leipzig und reise dann gleich d. 2ten ab. Du schriebst mir zwar von Nov. als |2| der günstigsten Zeit, doch im Januar geht es gewiß auch? sprich dann später mit Lachner, ob ich etwa d. 5ten dann Concert geben kann? ich schicke Dir alsdann Programm, Billete ect. Alles Nöthige vorher, damit ich nicht zu lang aufgehalten bin. Du glaubst es nicht, wie kostbar meine Zeit jetzt ist, weil ich gar zu vielerlei vorhabe! ich denke, wenn ich in München gefalle, so gebe ich doch noch ein zweites Concert, dann in Augsburg und Stuttgardt. Nun habe ich dann aber in Allem nur 10–12 Tage Zeit, darum muß vorher schon Alles besprochen sein. Wenn Du einmal wieder mit Lachner sprichst, dann schreibe mir nur, ob ich Concert mit oder ohne Orchester geben soll? wieviel das Orchester kostet, wieviel |3| der Saal? ob man keine Liste herumschickt? ob ich nicht möglicherweise zugleich ein Engagement in einem Abonnement-Concert (Lachner dirigirt Deren ja) erhalten könnte? vielleicht gerade, um zum ersten Male mich dem Publikum vorzuführen? Ich schreibe dann später, jedenfalls vor Weihnachten Genaues.
Meine geliebte Mila, wie <Vi[?]> Vieles habe ich auf dem Herzen für Dich, es muß aber Alles bleiben bis wir uns sehen. Ich bin jetzt so furchtbar beschäfftigt, daß mir der Kopf schwirrt – es ist wahrhaftig zu viel oft, was auf mir lastet. Denke nur allein fünf Kinder in Pension, |4| an drei verschiedenen Orten, nur Deren Toilette bei Jahreswechsel, wie z. B. jetzt, zu besorgen, welche Arbeit, dabei die ungeheuer große Correspondenz, Stunden geben, und selbst studiren, und – welchen Kummer, welche Trostlosigkeit im Herzen! –
Leb wohl, meine Mila! zürne mir nicht, Du kannst es nicht, Du bist zu vernünftig, und siehst ein, daß ich nicht anders konnte, als ich jetzt gethan.
Grüße die Deinen 1 000 Mal.
Sey umarmt in getreuer Liebe von
Deiner
Clara.
Ich erhielt gestern Abend Deinen Brief vom 14ten Octbr. (Die alte Mila, ohne Jahreszahl!)
Verzeih den schrecklichen Brief – ich mußte förmlich fliegen.