Ueberlingen d. 23 Aug 1856.
Meine liebe Emilie,
wie viel möchte ich Dir sagen, aber ich kann nichts, als Dir danken, herzinnigst, für Deine Liebe, Deine Theilnahme. Vieles haben wir zu sprechen, wenn wir uns einmal wiedersehen – wollte ich Dir schreiben, was ich durchlebt, und was Er, der heißgeliebte Mann gelitten, Bogen reichten nicht hin, und ich kann’s auch gar nicht schreiben, es erregt mich furchtbar! und doch, sähest Du mich, Du fändest mich so gefaßt wie möglich; glaube es mir aber, mein bestes Theil ging mit Ihm dahin. Der eine Trost bleibt mir noch, daß ich die letzten Tage um Ihn sein konnte, er mich noch einige Male |2| erkannte und ein Mal zärtlich umarmte und dabei so liebevoll anblickte – solchen Blick, meine Emilie, vergißt man nie, der begleitet mich durch mein einsames Leben! ich finde nur Muth in dem Gedanken nach seinem Sinne den Kindern und der Kunst zu leben! mein Unglück ist so schwer und groß, aber ich fühle auch mit ganzem <W> Herzen das Glück, das Gott mir in der Kunst, den Kindern und meinen Freunden verliehen. Brahms, von Dem ich Dir schon früher schrieb, ist mein liebster treuester Beistand, er hat mich seit dem Beginne von Roberts Krankheit nicht verlassen, Alles mit mir durchlebt und gelitten, und steht auch jetzt mir auf einer |3| Reise tröstend zur Seite. Er, seine Schwester und meine beiden ältesten Knaben sind mit mir. Wir wollen auf 4 Wochen irgend wohin in der Schweiz, denn mir thut eine Erholung für meine Nerven gar zu Noth. Dich, liebste Mila, sehe ich also wohl erst im Herbst, etwa Anfang November. Schreibe mir, ob Du mich wohl von München aus nach Stuttgard, Augsburg begleiten könntest? denn alsdann komme ich allein. Ich kann Dir aber nicht sagen wie schrecklich mir der Gedanke an den Winter ist – mit solchem Herzen reisen zu müssen! Aber Dich endlich wieder zu sehen, wie freue ich mich! schreibe mir doch, wo dann Elise ist?
Von Anfang October an bin ich wieder in Düsseldorf, |4| bis dahin adressiere: Frl. Rosalie Leser in Düsseldorf, die schickt mir dann Deinen Brief. Willst Du später mit Lachner sprechen, ob Anfang November passende Zeit? ich muß doch bald meine Pläne ordnen; nach Wien soll ich auch wieder, doch bin ich dafür noch nicht entschieden, aber jedenfalls gehe ich im April wieder nach England, wo es mir sehr gut ergangen; Schätze sind dort ein erstes Mal nicht zu erobern, jedoch sagt man mir allgemein, daß ich der erste Instrumentalist sey, der das erste Mal in England Etwas verdient hat – gewöhnlich setzen sie zu. Nun, und die Aufnahme war ja so auszeichnend wie möglich.
Diese Zeilen gehören zu den ersten, die ich wieder schreibe – habe Nachsicht, es greift mich gar zu sehr an, darum kann ich auch nicht mehr Dir <sa> heute sagen, als daß ich immer und immer dieselbe Dir getreue Freundin bin.
Herzlichst
Deine Clara.
Grüße die lieben Deinigen sehr, vor Allem Deine Mutter.