Wien d. 11 Januar 1856
Endlich hörte ich einmal wieder von Dir, meine Mila, denn aus Düsseldorf erhielt ich bis jetzt keinen Brief von Dir. Ich kann mir denken wie Du erstaunt warst zu hören, daß Deine Schwägerin mich aufgenommen, daß Ihr aber meine Begleiterin so unangenehm, hatte ich gar nicht vermuthet; und doch bereue ich es keinen Augenblick, in meiner Stellung ist das nöthig; denke Dir den ganzen Tag Besuche, oft welche, die ich gar nicht annehme, die sie dann empfangen muß, fortwährend Kleinigkeiten zu nähen, bügeln, mit mir Besuche zu machen, oft schicke ich sie auch da und dorthin; wie wäre das gegangen, ohne Jemand, der ganz zu meiner Disposition? in |2| solcher Weise mich anschließen an eine mir ganz fremde Familie, wie Du es verlangst, das kann ich nicht, und habe mit der Bedingung gemiethet, daß ich in keiner Weise genirt bin. Ich denke Du wirst mir (oder solltest es) Bildung genug zutrauen, daß ich gegen Leute, die freundlich gegen mich, nicht unfreundlich sein werde. Wie kann ich aber die Töchter z. B. mit in’s Theater nehmen, da ich doch die erste Verpflichtung gegen meine Begleiterin, die große Opfer meinetwegen gebracht, habe? Beruhige Dich, liebe Emilie, es ist bis jetzt Alles gut gegangen, und ich hoffe, wir werden uns fort gut vertragen.
Wie sehr gut mein erstes Concert ausgefallen, hast Du schon von Frl. v. E. gehört, und bin ich |3| sehr froh darüber, Du mußt aber ┌auch┐ nicht denken, daß ich stehen geblieben in meiner Kunst! Streben und Fleiß belohnt sich immer innerlich und äußerlich. Aber mit Blättern, liebste Mila, bleibe mir zehn Schritte vom Leibe; ich bekümmere mich schon seit Jahren um kein Blatt mehr, ich lese nie etwas über mich, weil ich überhaupt die jetzige Journalistik verachte, habe also auch das von Liszt nie gelesen, geschweige denn, daß ich es besitze. Meine Ansicht ist, so gut als möglich spielen, immer streben dem Höchsten zu, meiner Kunst mit Leib und Seele angehören, um das kleine Gelichter aber, daß [sic] da über Musik schreibt und nichts versteht davon, mich nicht zu kümmern. Liszt hat nicht den Begriff von <der> Kunstweihe, er, der ja viel zu verdorben ist, um noch eines heiligen Gefühl’s |4| fähig zu sein, er, der das Verworfenste componirt was man sich denken <soll> kann – ich will ihn gar nicht sehen! ich habe auch im Mozart-Concert zu spielen abgeschlagen – ich mag Liszt nicht Mozart-Begeisterung <sehen> heucheln sehen. Und nun genug darüber, Du kennst nun meine Meinung ein für allemal, und thust mir die Liebe, mir nie mehr von Journalen zu sprechen.
Ich gebe nun Sonntag mein 2tes und d. 20ten das dritte Concert, dann <ich> gehe ich vielleicht während der Mozartfeier nach Gratz, und komme dann wieder hierdurch nach Pesth, Prag, Dresden, und dann nach München, was aber wohl vor Anfang März nicht möglich sein wird. In Augsburg habe ich eine liebe kleine Schülerin, an die will ich nächstens schreiben.
Recht erfreut war ich über Lina’s glückliche Niederkunft – ich kann sie mir gar nicht als Frau und Mutter vorstellen.
Zu meinem Leidwesen aber höre ich das [sic] <Frau> Elise wieder leidend! es folgt hier das Recept für sie, möge es Ihr recht gut thuen.
Deine theuere Mutter grüße, und seyd Ihr Alle herzlich gegrüßt. Schreibe mir bald wieder – werden wir einander noch kennen, wenn wir uns sehen? ich denke es, und freue mich innig auf das Wiedersehen.
Deine alte Freundin.