Dresden d. 31 Dec. 1849
Meine theuere Mila,
entschuldigen will ich mich nicht bei Dir, denn eigentlich bin ich nicht zu entschuldigen, uneigentlich aber hoffe ich von Deiner Liebe doch noch Verzeihung! es ist schrecklich, seit 7 Monaten versuche ich es Dir zu schreiben, doch einmal kam dies, einmal Jenes dazwischen, und, Du weißt von jeher, daß, wenn ich Dir schreibe, es ausführlich sein muß. Ich will so viel als möglich noch in diesem Jahr Deine Verzeihung erflehen, und im nächsten besser handeln – das Versprechen geb’ ich Dir meine liebe Mila.
Diese Zeilen wird Dir Herr Oldenburg überbringen, den ich gestern bei Bendemanns traf, und viel nach Dir fragte. Von ihm wirst Du hören, daß wir wohl sind, und ich das Spielen noch nicht verlernt habe, doch von meinen Kindern, von meinem Kleinsten Ferdinand kann er Dir nichts sagen, nichts von Robert, der so unendlich fleißig ist, und immer mehr der Anerkennung genießt, nichts von unserem häuslichen, Gott sei Dank, ungestörten Glücke, kurz, ein bischen erzählen muß ich Dir nun schon selbst. Am 16 Juli wurde uns ein Knabe geboren, ein reizendes Kind, und voller Kraft und Gesundheit; ich war ganz wohl, |2| und erholte mich schnell, so daß ich in vollster Kraft wieder der Göthefeier beiwohnen konnte, wo Roberts Faustscene aufgeführt wurde, die jedenfalls sein genialstes Werk ist, das aber, in 50 Jahren vielleicht, erst vollständig verstanden werden wird, wenngleich es schon jetzt große Enthusiasten gewonnen hat, vorzüglich unter Denen, die es in den Proben oft gehört. In den vergangenen Monaten gab ich wie im vorigen Winter wieder drei Soireen mit Schubert, die so großen Zudrang hatten, und so sehr gefielen, daß wir im Januar noch zwei geben wollen. Ende Januar gehen wir auf 4–5 Wochen nach Leipzig, wo nun endlich Roberts Oper herauskommen, und ich spielen soll. Robert hat in dem vergangenen Jahr viele herrliche Sachen gemacht, und wird von Verlegern fortwährend um Compositionen angegangen. In letzter Zeit componirte er „Adventlied“ von Rückert für Chor und Orchester, dann die Gesänge aus Mignon nebst dem Requiem für Mignon, (die Lieder für Sopran und Baß das Requiem mit Solostimmen und Chor) dann |3| ein reizendes Jugend-Album für Gesang, ferner eine Menge Romanzen für Frauenchor, dann ein großes Stück für Orchester und doppelten Männerchor, zu Weihnachten als Ueberraschung für mich sein 100tes Opusculum, drei Romanzen für die Hoboe mit Clavierbegleitung, die ganz reizend sind, kurz, sein Genius hat die Gaben reicher denn je gespendet! ich weiß, Du empfindest mein Glück darüber mit, daher ich Dir so Alles vorerzähle. Aber nun muß ich wieder auf mein altes Capitel kommen, das schon so lange spielt! wirst Du mich denn wirklich nie besuchen? wenn es nicht bald geschieht, so geschieht es vielleicht hier in Dresden gar nicht. Wir gehen sehr wahrscheinlich im Juni nach Düsseldorf, wo man dem Robert die Musikdirector-Stelle angeboten hat. Ist nun auch am Ende die Stelle seines Ranges als Künstler nicht würdig, so muß ja doch ein Jeder einmal erst anfangen, und bietet die Stelle viele Annehmlichkeiten; mit dem Theater hat er gar nichts zu thuen, sondern 14 Concerte im Jahr zu dirigieren (die Programms |4| der Concerte sind ihm allein überlassen) drei Kirchenmusiken ab┌zu┐halten, und wöchentlich einmal Abends Gesangverein, der aus 130 Mitgliedern besteht, und sehr gut sein soll. Dabei nun eröffnet sich auch mir ein neuer Wirkungskreis, ich kann dort mehr Stunden geben, als hier, kann in Concerten spielen, kann die umliegenden Rheinstädte besuchen, schnell einmal in Holland sein, kurz, die Stelle ist ganz annehmbar. Denke wie angenehm für Robert, der ein Orchester und Chor zu seiner Verfügung hat, und Alles, was er componirt hat gleich hören kann! – Er hat bereits seine Zusage gegeben, nur hat er sich einen Vorbehalt ausgebeten, im Fall sich ihm eine andere Stellung bis April böte, wovon ebenfalls die Rede war. Doch für Robert wünsche ich vor der Hand keine Andere, denn jetzt ist er noch in voller Frische, und muß auch Zeit haben zum componiren. Gott gebe seinen Segen zu unserem neuen Leben, daß mit dieser Stellung beginnt, und beschütze meinen geliebten Robert, der, Du weißt es ja, mein höchstes Glück ausmacht! –
|5| Nun zu Euch liebste Mila! was macht Ihr? von Herrn Oldenburg hörte ich, daß Lina wieder ganz wohl ist, desgleichen Deine liebe Mutter, auch sagte er mir viel, wie angenehm Ihr in München lebtet ect. ect. das erfreute mich Alles sehr, gern wüßte ich nun aber auch was die arme Elise macht, wie es Deinem Schwager geht? er ist wohl krank an der Lunge? wie geht es der armen Coith – die arme Elise hat doch recht viel des Traurigen durchgelebt! wie schrecklich das Schicksal des Bräutigams der Coith, sowie des jungen Pinzers! ach, was hat dieß Jahr so viel der Trauer gebracht, wie so Manchem das Liebste geraubt – heute läßt man so recht lebhaft wieder Alles an sich vorübergehen. Was wird das nächste Jahr bringen?
Daß Du einen guten Flügel hast, freut mich sehr, wenn ich nur auch hörte, daß Du ihn benutzest? ich hätte Dir gern Roberts Jugend-Album für Clavier geschickt, doch wußte ich nicht, ob Du es nicht am Ende schon hast? schreib mir das, hast Du’s nicht, so schicke ich es Dir mit Madam Oldenburg, die in zwei Monaten nach München zurückkehrt. Die 40 Stücke kannst Du fast Alle spielen, vorausgesetzt, daß Du etwas fleißiger wieder bist, als ehedem.
|6| Was habt Ihr für Nachrichten aus Amerika? In die Schweiz bist Du nun wohl nicht gereist? Herr Rochell hat mich besucht – leider kannte ich ihn nicht gleich, und bin ihm da vielleicht etwas sonderbar erschienen.
Was unser Medaillon betrifft, so laß es Dir ja nicht kommen; es ist in Paris verkleinert worden, und soll jetzt nach dem Kleinern lithographirt werden; sobald es fertig ist, schicke ich es Dir.–
Nun will ich Dir heute nur noch einen Kuß geben, meine liebe Emilie, mein Geist ist bei Euch – wer weiß, vielleicht denkst auch Du in diesem alten Jahre noch einmal meiner! –
Neujahrstag.
Meine Liebe, heute will ich Euch nur noch meine herzlichsten besten Wünsche sagen, und möchte es dies Jahr sich fügen, daß wir uns wiedersähen, welch eine Freude wäre mir das. Es hängt nur von Dir ab, hast Du mich ein bischen lieb, so kommst Du, und zwar recht bald, – im Frühjahr.
Nun, leb wohl und schreibe mir recht bald, bitte, sey großmüthig!
Deine Alte
Clara Sch.
„Große Reitbahngasse Nro 20“ – schreib mir Deine Adresse auch.