Frankf. a/M d. 24 Juni 1885.
[auf dem Kopf] Sehr eilig, deshalb um Nachsicht bittend.
Geehrter Herr Speyer,
ich erhielt diesen Morgen Antoniens lieben Brief, u. bitte Sie ihr zu sa-gen, wie er mich erfreut hat. Leider werden wir Sie hier keinesfalls se-hen, da wir schon am 30ten von hier nach Gastein abreisen müssen. –
Was mich veranlaßt Ihnen heute zu schreiben, ist die Mitthteilung Antoniens, daß Sie mit ihr eine 6tägige Fußtour |2| unternehmen wol-len, u. da möchte ich Ihnen als alte, erfahrene Frau recht sehr davon abreden. Sie glauben nicht, wie viele junge Frauen sich durch Reisen und die Anstrengungen, die solche mit sich bringen, für ihr ganzes Le-ben geschwächt haben. Bedenken Sie, was eine Frau vor der Hochzeit schon an Anstrengungen aller Art durchmacht [Einfügung vom linken Rand] auch gehört Antonie nicht zu den Stärksten [Einfügung Ende], und daß, anstatt zu reisen, es wohl vernünftiger wäre, ruhig und still an einem Orte zu leben. Es ist jetzt so Mode, aber, früher, |3| als man noch nicht so die Gelegenheit hatte, große Reisen zu machen waren die jun-gen Frauen fast nie leidend, u. jetzt fast Alle! – Ich kann mir ja denken, wie herrlich Sie sich das, mit Antonien am Arme durch die Berge [?] zu wandern gedacht, aber geben Sie es ihr zu Liebe jetzt auf, auch lassen Sie sie gerade jetzt nicht viel reisen! [Einfügung vom rechten Rand] Sie können ja später einmal nachholen. [Einfügung Ende] Sein sie mir nicht bös, aber ich hielt es für meine Pflicht Sie darauf aufmerksam zu ma-chen, könnte Ihnen viele Beispiele erzählen, die für meine |4|Besorgtheit sprechen. –
Ich wollte Antonien darüber nicht schreiben, weil sie es Ihnen doch vielleicht nicht gesagt hätte, auch um Ihnen die Freude nicht zu stören.
Wir sind im Abreisetroubel - schrecklich leid ist es mir daß ich Sie nicht sehe, nicht mein Herz an Ihrem Glücke erlaben kann! –
Ich denke mir, Sie haben das Haus uns vis-a-vis ein Vorschlag – Könnten Sie, welches auch es sei, nicht erst auf 2-3 Jahre miethen? Ge-fällt es Ihnen dann, kaufen Sie es – es scheint mir weniger riskiert.
Mit herzlichen Grüßen an Sie Beide Ihre ergeb Clara Schumann.
|