23.01.2024

Briefe



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ID: 21099
Geschrieben am: Samstag 26.10.1861
 

Hamburg d. 26 Octbr 1861

Liebster Joachim,

Sie versetzen mich ja aus einem freudigen Schreck in den Anderen! Das ist ja ein schönes Anerbieten von der Großfürstin! ich habe ernstlich darüber nachgedacht, ob ich es annehmen soll, aber für diesen Winter möchte ich es doch nicht. Es kommt mir zu schnell, ich müßte dazu große Vorbereitungen, nicht nur für mich, sondern auch für meine Familie treffen, zu Hause Alles wieder anders einrichten, als ich es gethan, <A> alle Engagements abschreiben, kurz, schreiben Sie, bitte dem Frl. v. Rhaden, daß ich mich über das gnädige Anerbieten der Frau Großfürstin sehr gefreut, da ich es aber vieler schon eingegangener Verpflichtungen halber <d> für diesen Winter nicht annehmen könne, ob die Fr. Großf. wohl für den Winter übers Jahr, d. h. von 1862–1863 mir dieselbe <?> Gnade erweisen möchte? dann möchte Frl. v. Rhaden mich direct (Adresse: Berlin, Schöneberger Ufer Nro 22) mit einigen Zeilen benachrichtigen, und mir mittheilen, ob ich mich später wieder an sie wenden dürfte? Ließe sich nicht eine Andeutung machen, ob die Frl. v. Rhaden mir nicht eine Idee geben könnte, zu welchem Honorar sich die Großfürstin wohl entschließen würde? Sie werden das schon so schön schreiben, wie ich’s kaum denken kann. Und den Brief an die Hofdame v. Gablenz2 (oder vielmehr an Sie für sie) geben Sie nur ab, mir steht ja nachher noch immer frei zu thuen, was ich will. Ich kann ja noch immer sagen, es habe sich nicht mehr einrichten lassen ect. ect. Könnte ich Sie sprechen, ich könnte Ihnen so manche Gründe dagegen (d. h. Alle nur für jetzt) sagen; wie sehr lieb auch Ihr Rath mir wäre, sollten Sie eigentlich wohl überzeugt sein. Wie wenig entbehrlich mir Ihre Freundschaft, und Alles, was von Ihnen kommt, sollten Sie auch wissen, kurz – soll ich darüber noch versichern? das ist auch nicht Ihr Ernst. Jetzt mit einer Bitte noch: Sie geben Hoffnung vielleicht einige Tage hierher zu kommen – das wäre ja herrlich! dabei fiel mir nun aber noch Etwas ein; eigentlich wird es mir schwer Ihnen zu sagen, Sie können ja aber auch „Nein“ sagen; Ich soll nämlich in etwa 14 Tagen eine Soiree hier geben – Sie versprachen mir in Berlin in einem Concerte von mir zu spielen, dort mag ich aber kein Concert geben, wollen Sie mir nun hier die Liebe thuen? oder möchten Sie es lieber später in Verbindung mit dem philh. Concert? Sie haben wohl nicht an den Kalender gedacht? das philh. Concert ist erst am 3 Dec. Bitte um ein offenes Wort, am liebsten <d> kommen Sie Selbst, jetzt ist’s gerade noch so schönes Wetter. Ich muß noch ’mal auf die Russische Geschichte kommen. Sollte Ihre entschiedene Meinung dahin gehen, daß ich das Engagement f. diesen Winter annähme, könnten Sie dann (vielleicht überhaupt) nicht so an Frl. v. Rhaden schreiben, daß ich viele Engagements eingegangen hätte, jedoch es auch von den Anerbietungen des Honorars abhinge, ob ich das Alles rückgängig mache, und nach Rußland gehe. Ich kenne ja die Geldverhältnisse dort nicht, und möchte daher viel lieber <ein> Frl. v. Rhaden’s Ansicht hören. Es kömmt doch auch mit darauf an, wieviel Soireen wöchentlich bei der Großfürstin? Ich nahm z. B. im Winter 1860 -1861, 5600 Thl ein, <> und das in Deutschland. Ich kann jetzt nicht bestehen, wenn meine Einnahmen nicht so Viele sind, denn z. B. zurückgelegt habe ich im vorigen Jahr nur 100 Thl‼! jetzt mußte ich mir 300 Thl borgen bei Mendelssohns, weil sich die Ausgaben förmlich überstürtzten. Das Alles im Vertrauen. Also, ich muß sehr gut honorirt werden, soll ich diese große Reise unternehmen. Ich kann Ihnen nicht sagen, welche Freude ich an Johannes Sachen habe! ganz wonnig geht mir die Musik jetzt wieder in’s Herz hinein – es war ganz oede geworden in der Berliner Luft. Und die herrlichen Variat. kennen Sie wohl gar nicht! wie sind die voller Originalität, und was für ’ne Fuge am Schluß. Ich sehe schon die Freude in Ihrem Blicke, wenn Sie sie hören.
Nun tausend Mal herzlich gegrüßt, theuerer Freund, von Johannes und mir. Schreiben Sie bald, wenn Sie kommen?
Ihre
Cl. Sch.

Julie grüßt dankend wieder. Sie verziehen sie mir hier Alle, das ist nicht gut, doch was soll ich machen? es freut mich ja doch auch, wenn die Leute meine Kinder mögen.

[Umschlag]
Herrn
Joseph Joachim.
in
Hannover.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Joachim, Joseph (773)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
636ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 6422-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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