23.01.2024

Briefe



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ID: 20982
Geschrieben am: Dienstag 12.01.1886
 

Frankft, den 12. Januar 86.

Liebste Frau Fellinger!

Länger möcht ich doch nicht anstehen Ihren und Ihres lieben Mannes so herzliche Briefe und Wünsche1 zu beantworten. Leider kann ich es nur dictierend und vom Bett aus, da |2| ich seit acht Tagen an einer sehr heftigen Kniegelenkentzündung zu Bett liege, die mir viele Schmerzen gemacht, und sehr langsam wieder schwindet. Sie sehen, das neue Jahr hat schlecht für mich begonnen; man sagt aber „Ende Gut, Alles gut“ und so will ich hoffen, daß der Anfang kein schlimmes Omen für das Ende sei. Ihre herzlichen Wünsche |3| erwidere ich ebenso für Sie und alle Ihre Lieben. Wohl gehört der Wunsch, daß der Sommer uns einmal zusammenführen sollte, zu einem meiner liebsten. Wie sehr mich Alles, was Sie mir schrieben, interessierte wissen Sie, ohne daß ich es Ihnen versichere. Leid that mir zu hören, daß auch Sie wieder ’mal bettlegerich gewesen sind und gerade vor Weihnachten! |4| Ihr Leiden hatte ja einen ähnlichen Ursprung wie das Meinige, nur mit dem Unterschied, daß mein Arzt alle solche Leiden sich länger hinziehen läßt, dadurch, daß er durchaus keine Morphiumeinspritzungen gestattet, weil er diese für die Nerven so sehr nachteilig hält, was ja auch richtig sein mag! da heißt es aber doppelte Geduld. Ihre Mitteilung des Accident mit Ihrem Mann ist auch wieder |5| einmal ein Beweis, wie kurzsichtig die Ärzte oft sind, und eigentlich war es doch unverantwortlich in diesem Falle. Für Ihre Photographie danke ich Ihnen – ich besitze eine der ersten <aus> von Brahms aus damaliger Zeit.
Sehr freue ich mich auf den 5. März, wo wir Brahms’s Simphonie hier haben sollen. Wahrscheinlich werde ich in demselben Concert spielen müssen, |6| da ich für nächste Woche hier absagen mußte. Das ist mir nicht lieb, weil es mir doch etwas von der Seelenruhe raubt, mit der ich dieses Werk gerne genösse.
Ich schließe und thue es mit den innigsten Grüßen an Sie Alle in alter treuer Gesinnung.
Ihre
Clara Schumann.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Frankfurt am Main
  Empfänger: Fellinger, Maria (443)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 4
Briefwechsel Clara Schumanns mit Maria und Richard Fellinger, Anna Franz geb. Wittgenstein, Max Kalbeck und anderen Korrespondenten in Österreich / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Anselm Eber und Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2020
ISBN: 978-3-86846-015-5
244ff

  Standort/Quelle:*) D-Zsch, s: 11768-A2
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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