23.01.2024

Briefe



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ID: 20708
Geschrieben am: Samstag 18.04.1863
 


Düsseldorf, d. 18. April 1863.
Ich denke besser Etwas, als Nichts, darum ich dem geliebten Freunde doch wenigstens einen Gruß noch von hier senden, und den schönsten Dank für den lieben Brief, der mich neulich so innig erfreut hat. Morgen verlasse ich Düsseldorf, wohl auf lange, und rücke Ihnen jetzt ordentlich näher! – ich gehe nach Trier, gebe dort Concert, vielleicht auch ein’s in Luxenburg [sic], und dann geht’s der neuen Heimath zu. Meine Kinder sind schon seit 8 Tagen dort, und die Meubles bereits angekommen. Ich konnte leider nicht gleich selbst mit, weil ich suchen mußte noch etwas zu verdienen – nun richten sie dort einstweilen ein, was möglich ist, und ich ziehe noch allein herum. Sie glauben nicht, welch trauriges Gefühl mir das oft ist, wenn ich so ganze lange Tage allein auf der Eisenbahn sitze! wie viele Male zieht an solchen Tagen das ganze Lebensbild an der Seele vorüber, ich bin dann Abends an Leib und Seele erschöpft. Doch, ich hoffe ich überstehe diese Woche leichter, denn erst jetzt fange ich an mich auf Baden zu freuen, wo es mir oder vielmehr ich ihm näher rücke. Wann werde ich denn nun den theuren Freund sehen? vor Juni wohl nicht? – nach Ihrem letzten Brief scheint mir vorher nicht Hoffnung dazu? – dann aber wird es doch bald? Ich denke der Mai wird mir wohl ziemlich mit der Einrichtung noch hingehen, wenn Sie dann kommen Alles in schönster Ordnung bei uns sein. Ich war diese Woche in Cöln und Hannover zum Orpheus, den Joachim einstudiert hatte.
Es waren ein paar schöne Tage, freilich mit großer Anstrengung für mich verknüpft, weil ich eben Alles nur so in der Flucht abmachen konnte. Hier habe ich geschrieben so viel, daß ich mich wundere, wenn ich nur noch eine Passage machen kann.
Die Briefschulden hatten sich so gehäuft, dazu kam so schrecklich viel Umzug, Schul-Correspondenzen, daß ich ganz desparat war. – Wie hat mich das Alles, was Sie mir noch vom Faust schrieben so sehr interessiert. Daß Sie aber doch die Reise im Ganzen nicht so erfrischt hat, wie ich es gehofft, war mir recht betrübt; es ist recht traurig, daß Sie Alles gleich langweilt! wird das in Baden in unserm einfachen Häuschen nicht auch der Fall sein? – ich wünschte doch so sehr, Sie fühlten sich behaglich bei uns! Drei Koffer stehen halb gepackt um mich herum, alle Augenblicke kommt Jemand, ich muß schließen. Ende der Woche, den 25ten hoffe ich in Baden einzutreffen – finde ich da ein Willkommen von Ihnen mein theurer Freund?
Meine Adresse ist: Baden-Baden Unterbeuren No 14.
Mit herzlichstem Händedruck
Ihre getreue Clara




  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Kirchner, Theodor (821)
  Empfangsort: Zürich
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 10
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Theodor Kirchner, Alfred Volkland und anderen Korrespondenten in der Schweiz / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-021-6
199f.

  Standort/Quelle:*) Autograph verschollen. Abschrift in A-Wgm: Bibliothek Renate und Kurt Hofmann, Briefe von Clara Schumann an Theodor Kirchner, 1. Kopie (Reinhardt), Bd. 2, S. 71–73, Nr. 42
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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