23.01.2024

Briefe



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ID: 19721
Geschrieben am: Dienstag 18.02.1879
 

Breslau d 18t Febr. 79.
Theure geliebte Frau,
Sie wissen es recht, wie ich mit Ihnen traure u wie mich Ihr Leid tief, tief betrübt, doppelt, weil es Ihnen geschieht, u weil es das Kind betrifft, das ich so herzlich lieb gehabt habe – wie ein eigenes war es mir damals ans Herz gewachsen. Und wie sehr berechtigte es zu den schönsten Hoffnungen – wie reiche Anlagen sind mit ihm verloren! Als ich heut Ihre Zeilen erhielt u die theure Handschrift sah, die mich sonst immer mit Freude erfüllt, ahnte mir die Nachricht die sie brachten, denn ich habe fortwährend mit Sorgen Ihrer gedacht u hatte nun so lange Nichts gehört. Ja, warlich, Sie haben eine furchtbar schwere Zeit durchgemacht, fast möchte man sagen das Leben ist hart gegen Sie – aber es ist für jeden Menschen ernst u schwer, u wer besitzt muß sich bereiten daß er verliere. Und in den Verlust mußte man sich ja finden, wäre er nur nicht mit so schweren Leiden verknüpft! Möchte die Zeit einen dichten Schleier legen über die Erinnerung an die Schmerzen der letzten Zeit u nur die Erinnerung an die leidensfreien Zeiten Ihres lieben Kindes Ihnen bleiben. Ich habe mit Ihnen u für Sie getrauert, seit im Oktober Felix zu Ihnen kam, denn ich wußte ja was Ihnen bevorstand, ich kenne die schreckliche Krankheit u die Leiden mit denen sie endet! Der einzige Trost dabei ist doch nur, daß Sie ihm die letzten Zeiten erleichtert haben, u tragen helfen daß er bei den Seinen leiden konnte. Gewiß hat er so viel Freude gehabt, wie er in seinem Zustand aus genießen konnte – ich wollte, ich hätte ihn noch einmal sehen können, wenn Sie eine Photographie von ihm haben, aus den letzten Jahren, dann bitte ich darum. Auch bei Ihnen möchte ich sein, um mit Beweisen meiner innigen Liebe u Theilnahme Ihren Schmerz Ihnen tragen zu helfen, u mit Ihnen weiter hinaus zu schauen ins Leben um zu suchen – wo es Ihnen noch Freude u Glück bringen könnte. Sie werden recht müde und gebeugt sein – aber Sie haben ja gelernt das Schwere zu tragen u muthig fortzuleben, das Leben bringt dann auch immer wieder Schönes u Erhebendes, besonders dem, welcher über so reiche Schätze des Inneren zu verfügen hat wie Sie, meine innig geliebte Frau Schumann. Richten Sie den Muth auf in den Armen der Liebe Ihrer Kinder, die Sie nun doppelt fest umschlingen werden u mit der Theilnahme Ihrer treuen Freunde die Alle das verlorene Kind mit Ihnen beweinen –. Meine Schwester will Ihnen selbst schreiben wie sie an Ihrem Schmerz theilnimmt, heut hat sie Unterricht u kann deshalb nicht mit mir schreiben.
Innige, innige Grüße von Ihrer treuen
Elisabeth

ich muß noch sagen, wie es mir wohl gethan hat daß Ihre theure Hand mir die traurige Nachricht gab – Sie wußten, es war von Herz zu Herz mitgetheilt!

  Absender: Werner, Elisabeth (1691)
  Absendeort: Breslau
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 18
Briefwechsel Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1856 bis 1896 / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-055-1
688f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 3,368
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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