23.01.2024

Briefe



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ID: 19534
Geschrieben am: Samstag 07.03.1863
 

Hamburg, den 7. März 1863.

Liebe Frau Schumann,
Noch von hier aus will ich Ihnen melden, daß die Symphonie-Soireé Gestern sehr gut ausgefallen ist & jeder Satz der herrlichen Schubert'schen mit Dank & Beifall aufgenommen wurde. Zum Schluss wurde sogar Ihr untertänigster Sänger gerufen und mit Lorbeeren bekränzt. Wie es zugegangen daß ich ein Orchester in Deutschland gefunden |2| und zum Dirigenten geworden bin ist mir noch ein Räthsel, ein Traum und das Glück verdanke ich doch meistens Ihnen, liebe Freundin, und darum auch meinen eiligsten und wärmsten Dank. Wären Sie nicht nach Guebwiller gekommen, hätten Sie nicht dort mit unserm dürftigen Orchester gespielt, mich dann hier empfohlen als Einen, der die Anlagen hat, ich wäre vielleicht heute nicht Concertdirector in Hamburg. Und nun habe ich den Wirkungskreis, & Joachim in der Nähe, einen Rathgeber, einen lieben Freund, einen großen Künstler einige Stunden von hier! Haben Sie nie daran gedacht im Winter irgendwo Ihr Zelt aufzuschlagen vielleicht in dem reichen Hamburg selber |3| & recht theuren Unterricht zu geben, und links & rechts ein Engagement anzunehmen. Wir haben hier Lübeck, Kiel, Schwerin, Berlin, Hannover, Bremen Oldenburg in der Nähe & an Einladungen zu Concerten fehlt es nie. Es wird ja überall musicirt. Von Brahms weiss man hier seit 3 Wochen so viel wie nichts; am Ende kommt er unverhofft zum großen Nationalfest am 18 März. So meinen die Eltern! Ich glaube nicht, daß er sich viel daraus macht. Wie alles hier werden soll kann man gar nicht voraussehen; doch etwas wird geschehen! die Pariser Stimmung bekommen wir zum Winter & damit bessere Blasinstrumente. |4| IIte Fagotte und IIte Flöte stimmen nicht zum Uebrigen & es liegt theils an den Instrumenten, theils an der Nachlässigkeit der musici. Aber was Sie freuen muss ist zu erfahren, dass das Orchester welches in der ersten Leseprobe über den Sänger-Dirigenten eigentlich die Achseln zuckte, immer mehr und mehr Zutrauen bekam & schließlich durch's Feuer gegangen wäre. Mehr wie 4 Proben wollte ich nicht machen um sie nicht zu erschrecken, aber Vater Brahms sagte mir man hätte eigentlich eine 5te erwartet; als gestern früh, am Tage des Concerts. Die Symphonie ist aber so anstrengend für den Bläsercchor daß man froh seyn kann wenn sie in der Früh nicht gespielt haben. Am besten ging das schwere Finale; ich hatte es am genauesten einstudirt; gekürzt wurde nichts wie bisher in den Stimmen zu sehen war & das Publicum schien recht dankbar dafür zu seyn. - Warum haben Sie auf meine Depesche nicht eine Zeile geantwortet? Ich habe endlich Nachricht aus Nizza. Wissen Sie wie es mit dem Bein der Frau Schlumberger geht? Wenn das sich nur nicht in die Länge <>zieht! – Wie lange bleiben Sie in Paris? Vor dem 17 April komme ich schwerlich hier weg. Faust wird am 21 erst in Hannover gegeben Ich telegraphire wenn es recht fest steht. Darüber ein ander Mal mehr.
Mit Grüssen an Ihre liebe Tochter Marie

Ihr ergebenster
Director
J. St

  Absender: Stockhausen, Julius (1547)
  Absendeort: Hannover
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
581 - 584

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,65
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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