Hannover, 26. V. 61.
Liebe Frau Schumann!
Ein kurzes aber herzliches Lebewohl vor dem Hofconcert! denn nachher
muß ich in aller Eile packen u um 12 Uhr geht der S.Z. nach Frankfurt. Morgen Ab. so Gott will (Er will es immer eigentlich aber die Menschen machen so oft dummes Zeug, wovon Joachim erzählen kann) bin ich vor 7 schon in Basel. Diesmal geht der Weg<e> der Kürze nach, u Düsseldorf darf nicht berührt werden. Ich habe gehört wie es Ihnen ergangen in Aachen u wie Sie die Leute wieder gefesselt haben.
Dietrich u ich (klingt schlecht) jammer-|3|ten wärend dem Fest in
Oldenburg u konnten nicht fort! Nicht immer kann man thun was man
will! – Sie denken wohl oft noch an die angenehme, erquickende Zeit in Hamburg! Ich auch, u wünschte mir Brahms oft zur Seite! Es ist sehr angenehm mit ihm zu verkehren, man muß ihn nur kennen u ihn nicht quälen mit Sachen die er nicht versteht! Und das Musiciren! Wie schön geht Alles wenn er will! – Wir hatten uns so auf die Winterreise gefreut! Und nun ist der Plan <zur>ins Wasser gefallen. Ach! thun Sie doch Ihr möglichstes um in der Schweiz zusammen zu seyn (Ende July.) Wollen Sie mir nach Paris schreiben? Anfang Juny bin ich dort 9 rue Moncey. Früher in Basel bei Reiter od. in Colmar, einerlei! Behüte Sie Gott, ruh’n Sie fleißig aus u denken Sie zuweilen an den treuen Müller. |2| Viele, viele Grüße an Ihre liebe Umgebung. Einen besonderen Gruß an Fräulein Marie. Ist sie fleißig? liest sie viel Noten? kriegt sie etwas mehr Courage? Das muß man ja wenn die Mama so viel hat. So ein Beispiel ist zu ansteckend! Ich scherze nicht! Sie haben im Grund doch enorm viel Herzhaftigkeit liebe Frau Schumann; auch würde ich mir hier keine Scherze erlauben. – Meine Brüder kommen von Wien u Leipzig zum 24 zur Hochzeit. Nur die Barmherzige wird fehlen! Es wird im geheimen manche Thräne
fließen! |4| P. S. Professor Moscheles u Frau sind eben hier auf der Durchreise nach Holland. Die Tochter aus Jerusalem ist mit u nun hab’ ich im Concert-Staat noch Ein’s singen müßen! Man verlangte „Ich grolle nicht!“– Heine, Schumann u Jerusalem! Wie reimt sich das zusammen?
Antwort s’il vous plaît!
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