23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 19505
Geschrieben am: Dienstag 31.05.1864
 

Hamburg. 31 May 1864.

Liebe Frau Schumann,
Nun weiß ich wo ein Brief Sie treffen wird u gleich schreib’ ich. Frl. Wagner sagte mir Sie seyen schon in Düsseldorf. Rudorff hatte mich confus gemacht; seinem Brief zufolge wären Sie im Harz bei Freunden. Nun sind Sie aber schon nah’ zu Hause u ich möchte wißen wie es Ihnen nach der langen Reise geht, ob Sie nicht gar zu müde sind u – zufrieden. Ich bin es ja, sogar Beides, u wünsche so sehr daß Sie, wie ich, auf einen schönen Sommer rechnen könnten. Doch, halt! |2| voreilig will ich nicht seyn. Wir erleben jetzt schon schwere Kämpfe mit der Catholischen Kirche, u einstweilen ist mein leichter Sinn hinweg. Die Eltern in Colmar sind gar zu orthodox! Sie hatten Ihre Einwilligung zu einer gemischten Ehe zwar gerne gegeben aber unter der Bedingung, nein, mit dem Wunsche daß die Kinder catholisch seyn müssten. Nun ist das schon eine widerliche Geschichte eine Religion festzustellen für Geschöpfe die kommen sollen, u Clara liess mir durch ihren Schwager sagen sie wolle für die Zukunft keine Verpflichtungen eingehen. Es ist auch das einzig Richtige. Den Eltern muß es überlassen seyn, nicht den Grosseltern, |3| nicht den Geistlichen. Nun weigert sich aber der catholische Pfarrer die Ehe einzusegnen u da habe ich den Eltern schreiben müßen. – Was nun wird[,] das kann nichts Erfreuliches seyn. Und der Polterabend steht bevor, u mein Vater grämt sich u ist 70 Jahre alt, u die Trauung soll gerichtlich am 10 Juny vollzogen werden u die Eltern weinen zu Hause. Es ist ein übergrosses Weh! Wenn meine Braut nicht so freisinnig, nicht so fest in ihrem Glauben an den einen Gott u an sich selbst wäre, ich wüßte nicht was ich jetzt thäte. Aber, Gottlob, in ihrer Familie, ist nicht der geringste Zweifel, u da eine Protestantische Ehe die Eltern auch zu sehr erschrecken würde, werden |4| wir muthig eine Civilehe eingehn. Nur wünschte Clara sehr einen freisinnigen Freund der zu Hause eine Anrede hielt eine recht herzliche u allgemeine nicht catholisch, nicht reformirt, u. den können wir nicht finden. Wie schwach sind noch die meisten Männer! Wie wenige haben den Muth zu sagen was sie glauben. Denken Sie zuweilen an uns? Wann gehen Sie nach Baden? Clara freut
sich so sehr Sie kennen zu lernen! – Weder Faust noch Musikfest sind zu Stande gekommen! Muß auf nächstes Jahr verschoben werden. Gestern war die letzte Academie Uebung. Wir haben den ganzen May hindurch geübt. Wann Johannes kommt erfährt man gar nicht. Wir hätten Sie alle so gerne am 8 u 10 hier gehabt! Meine Brüder Heinrich u Franz sollen bald kommen. Auch Kirchner vielleicht. Gedenken Sie in der Ferne Ihres Sie herzlich liebenden Sängers
J. S.

Grüsse an alle die lieben Ihrigen u. an meine Freunde in Düsseldorf; ich habe nicht überall Verlobungskarten gesandt; ich fand keine Zeit.

  Absender: Stockhausen, Julius (1547)
  Absendeort: Hamburg
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
626 - 629

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 2,105
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.