23.01.2024

Briefe



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ID: 19269
Geschrieben am: Dienstag 16.12.1884
 

Leipzig d. 16t. Dec. 1884.

Geliebte Clara!

Mein erster Eintritt am 13t. Dec. in das IIIt. Fest-Concert des neuen GW.Hauses, machte mich durch das Grandiose und Eleganz, der großen Räume still. – daß die Stühle / Sitzplätze im Saal von dunkeln Holz – schön sind, that dem Auge wohl. Die 4theilige Orgel über den aufsteigenden Orchester, (Gallerie) verschönt das Ganze.
Mein Platz in der Mitte auf der Gallerie rechts etwas näher gegen das Orchester ist sehr gut.
Den Saal bis auf den fernsten Platz erfüllt zu sehen in seiner uns ungewohnten Vergrößerung u doch so ähnlich unserm Alten, macht einen unbeschreibbaren Eindruck! Auf, – u im Orchester dem 70 Instrumente mehr beigefügt ist, hat kein sichtbar Licht.
Alles – was Nun-Verklärte große Geister, geschaffen, u uns hinterlassen haben, – was hier vom begeisterten Orchester, meisterhaft und wieder in jene Zeit zurück<ein>führte, und der Vollklang, – auch der feinsten Töne, die alle Erwartung übertreffende Acustick, allüberall hintrug, wirkte auf alle Gemüther mit einer unsagbar beglückenden Begeisterung.
Jede Nummer war einzig schön u fand Eingang in die Seelen[.] Ouverture zu Leonore versetzte Alle in Extase! Auch der Trompetenstoß hinter der Orgel gelang total. Adagio v. Spohr. Joachim. u. seine anderen Vorträge trug er unübertrefbar vor und Aplaus u Hervorruf wollte nicht enden! – –
Dann die Lieder der Hermine Spieß, von Fz Schubert u Weber, „Meine Lieder, meine Sänge.“ sang sie innig schön. –
Und dann – der Schluß – Roberts Sinfonie No4 D moll!
Da war Sein Geist uns nahe, und so weihete Ihr Robert, Dem hier Seine Clara fehlte – den Fest-Saal, – in vollster Uebereinstimmung Aller, wahrhaft ein! – – – –

Dieses III Weih-Concert ist allgemein, als das Vorzüglichste der Drey anerkannt.
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Clara!
„Was durch all meine Jahre Erlebtes – u Empfundenes, in fest gebliebener Erinnerung hier nun durch meine reiche innere Welt zog, u mir die Macht der lang entbehrten lieben Töne – meine still in sich abgeschlossene Seele, mit unsaglicher Wonne und Weh, fast überwältigend bewegten; – und ich die Perlentropfen in den Augen zurückdrängte – – – diese Sprache tiefinnerster Bewegung verstehen Sie Clara gewiß richtig. – stumm fuhr ich zu [sic] Haus, da aber rollten die wohlthätigen Dankes-Thränen herab; – – sie galten zumeist: – Ihren [sic] Robert und seiner Clara !
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Und – was rief dieß Concert als allgemein gefühlten, lebendigen Wunsch hervor? –
„Clara Schumann fehlt uns aber, – sie wird, ihrem Robert folgend – unserm Saale ihre Weihe nicht versagen!!!“ –

Ja! das vernahm ich von Vielen. – –
Vox populi
Vox Dei.

Meine Clara so nehmen Sie und Ihre Töchter – die alte Ernestine mit ihren alten treuwarmen Herzen freundlich in die Ihren auf – denn Pulsschläge so wahr für Sie schlagen.
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Livia hat alle 3 Concerte gut vertragen – sie hat Freude empfunden – wie seit Lange nicht. sie kam in der Pause zu mir, u ihr mir u meiner Tochter – aus 1 Mund – „aber Clara fehlt hier und uns.“ – –
Ihnen Allen – ein – frohes Fest – u genesende Kraft der lieben Hände Clara’s.

  Absender: Platzmann, Ernestine, geb. Preußer (1191)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  SBE: II.15, S. 317-320

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 4,312
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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