23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 19062
Geschrieben am: Mittwoch 12.04.1854
 

Wien, am 12ten April 1854

Verehrte Frau Doctor
Ich habe Ihre geschätzte Antwort auf meinen Brief hier in Wien erhalten, und kann nicht umhin Ihnen einige Worte in Erwiderung auf derselben zuzusenden um Ihnen so aufrichtig wie es mir in die Seele liegt die Versicherung zu geben daß es fern von mir jemals gewesen Ihnen beleidigen zu wollen und daß es mir herzlich leid gethan aus Ihren |2| Zeilen zu verstehen als hätten Sie meine gute Absicht vielleicht anders aufgefasst als ich es gemeint. Ich hörte Sie waren auch selbst krank und da ich aus Erfahrung weiß was das heißt Mutter zu seyn und der Gedanke daß Sie in dem Augenblicke in welches Ihnen das harte Schicksal mit Ihrem Herrn Gemahl traf auch selbst unfähig wären für Ihre Geliebten zu arbeiten, fühlte ich es als eine Pflicht Ihnen auch in der That |3| meine tiefe Theilnahme zu beweisen umsomehr da ich wohl weiß wie hoch Sie beiden als Künstler stehen und ein unendlich viel sorgenfreieres Leben haben müßten wenn alles wäre in der Welt wie es sollte! Und mit solchem Gefühle wagte ich Ihnen das kleine Papier beizufügen und hoffe ich aus vollster Seele daß Sie mir verzeihen mögen wenn ich die Sache ungeschickt gemacht. ||4| Ich darf daher weiter nichts thun als Ihnen nur ans Herz zu legen, daß – wenn, wann, wo und wie viel Sie auf mich beziehen wollen sollte Ihnen doch ein mal im Leben die ausgestreckte Hand gelegen kommen, thun Sie es ja mit vollsten Vertrauen und ein paar Worte darüber an mich sind genügend, und kein Mensch in der Welt braucht es sonst zu erfahren. Gönnen Sie mir wenigstens die freudige Hoffnung Ihnen doch einmal |5| Nutzen zu dürfen falls Sie eine Freundinn brauchen.Ich habe einen kleinen Jung der mir unendlich viel Freude macht. Das Gefühl einer Mutter schließt doch alles schöne dem Herzen auf. Wenigstens ist mir eine neue Lebensquelle aus der Liebe zu meinem Kinde aufgegangen.
Leben Sie wohl, verehrte theure Frau Dr. Möge der Allmächtige, Hohe Herr im Himmel Ihr Herz so lenken daß Sie aus dem größten Schmerzen Ihnen Heil erstehen sehen – dann |6| erst geschieht Ihnen alles alles zum Guten.

In treue Verehrung
und tiefe Theilnahme
Ihre ergebene
Freundin
Jenny Goldschmidt
geb. Lind

  Absender: Lind, Jenny, verh. Goldschmidt (953)
  Absendeort: Wien
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 7
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Jenny Lind-Goldschmidt, Wilhelmine Schröder-Devrient, Julius Stockhausen, Pauline Viardot-Garcia und anderen Sängern und Sängerinnen / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Jelena Josic, Thomas Synofzik, Anselm Eber und Carlos Lozano Fernandez / Dohr / Erschienen: 2023
ISBN: 978-3-86846-018-6
220f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 1,134
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.