23.01.2024

Briefe



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ID: 18940
Geschrieben am: Donnerstag 12.06.1873
 

Berlin d 12t Juni 73.
Verehrte liebe Freundin!
Heut’ komme ich auch einmal mit einer frohen Botschaft wieder das Ihnen beweisen soll daß ich Ihre Theilnahme wohl voraussetze da man sonst dergleichen nur selten persönlich mittheilt. Mein Mann ist zum ordentlichen Professor für Philosophie an die hiesige Universität berufen, in der Philosophie ein nie dagewesenes Ereigniß. Es thut uns diese doppelte Auszeichnung recht wohl, zumal sie allgemeine Theilnahme erregt, und uns herzlicher Ausdruck vielseitig zugeht. Die Blätter die es eben gebracht, werden mir hoffentlich nicht zuvor gekommen sein, denn nicht nur kam ich von Morgens bis Abends durch Gratulanten nicht zu mir selbst – also auch nicht zu Ihnen sondern ich wollte auch zur Anschrift meinen Mann zurückerwarten welcher seinen Vater für einen Tag besucht, u Ihnen eigenhändig einen Gruß beifügen wollte. Ich hoffe der Sommer so wechselnd er auch ist hat inzwischen Ihnen schon wenigstens so weit wohlgethan, daß Sie geliebte Frau schmerzlos sind, u sich Ihres idyllischen Aufenthaltes freuen können, das ja inmitten Ihrer geliebten Kinder ganz dazu angethan ist. Ich denke mit wahrer Befriedigung daran daß Sie Ihr liebes Häuschen nicht fortgeben wollen ein bleibendes Fleckchen Erde das man sein nennen kann muß der Mensch haben, u hat er endlich eins gefunden, u es lieb gewonnen, wäre es ein Unrecht sich davon los zu reißen wenn er nicht muß, u müssen wäre schmählich u undankbar. Ich fühle es jetzt hier bei den abscheulichen Wohnugsverhaltniße [sic] als eine Art Vorrecht daß wir es mit einem eigenen Hause so leicht genommen, jetzt ist nun für’s Erste gar nicht daran zu denken ein Haus in guter Gegend zu kaufen, will man nicht in dem überbotenen Tun mal viel viel über den Markt zahlen. Ob wir Sie in Baden wohin wir für einige Tage wohl gehen werden sehen? ob Sie schon von Ihrer Badeabsicht zurückgekehrt, u wann zurückzukehren gedenken, darüber sagen Sie uns wohl gelegentlich ein freundliches Wort. Wir werden im Juli in Nauheim sein weil unser Arzt ein Solebad für uns für sehr nöthig erachtet, u uns dieses Bad gewohnt, u bequem liegt, von da aus gedenken wir kleine Abstecher zu machen da wir für weite Reisen weder Stimmung noch Lust haben –; wie sehr mir die liebe Reisegesellschaft fehlt, brauche ich, u kann ich nicht sagen –. Jeanettchen befindet sich in ihren Verhältnissen recht schwach, trägt aber ihren großen Verlust mit jener ihr eigenen Sanftmuth u die Rücksicht für ihren Mann läßt sie gefaßter scheinen, als sie es ist. Diese neuen Hoffnungen haben zwar ihr sehr wohlthätiges, allein hindern sie zunächst auch in diesem Sommer Etwas für sich thun zu können. Sie grüßt, eben so Ernstinchen mit herzlicher Anhänglichkeit.
Indem ich Ihnen wohl u glücklich zu leben wünsche u bitte mich Ihren lieben Kindern angelegentlich empfehlen zu wollen bleibe ich
in treuer Liebe Ihre
Sarah Lazarus

  Absender: Lazarus, Sarah (918)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 18
Briefwechsel Clara Schumanns mit Korrespondenten in Berlin 1856 bis 1896 / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz, Eva Katharina Klein und Thomas Synofzik / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2015
ISBN: 978-3-86846-055-1
249f.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 3,125
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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