Liebste Frau Schumann!
Mein Mann hat es mir so ans Herz gelegt, Ihnen zu sagen, wie sehr ihm das Requiem von Brahms gefallen hat, daß ich Sie mit diesen Zeilen aufsuchen muß. Er ist ganz begeistert u. sagt wörtlich: „Die Musik ist auf gleicher Höhe mit der Idee des Ganzen, von einer Tiefe der Empfindung einem Schwung der Auffassung, einer Originalität der Conception die Brahms für mich zu einem erhabenen Menschen stempelt, dem gegenüber ich nie an Kleinigkeiten, die mir an ihm nicht recht sind, mäkeln werde. Könnte ich das Werk einmal so einstudiren, wie ich’s fühle.“ – Es scheint auch sehr gefallen zu haben, denn trotz einigem „zischenden Gesindel“ wurde Br. laut gerufen u. obwohl er 5 Minuten brauchte um vom Saal über die Treppe ins Orchester zu kommen, hielt der Beifall doch an. Das Requiem gieng unter Herbecks Leitung aber nicht gut, es fehlte an Proben. – Heute schrieb mir Jo, daß seine Hand ganz gut sei er habe das Gelenk mit Zwiebelsaft eingerieben. Ein einfaches Mittel, welches man sich merken muß. Nur etwas Übelriechend! – Nun nachträglich höre ich erst aussprechen, wie entzückt die Leute Sonnabend waren. Man kann es hier gar nicht glauben, daß man nicht enthusiastisch war. Es giebt Menschen, welche sagen, sie hätten aus Begeisterung – geschwiegen. Na „es muß auch solche Käuze geben.“ – Ich weiß, wie aufmerksam Sie sind, liebste Frau Schumann, u. deßhalb bitte ich Sie, mir nicht etwa auf diesen Brief zu antworten – ich weiß ja, wie viel Sie zu schreiben haben.
Ihnen u. Frl. Marie die herzlichsten Grüße, von
Ihrer
treu ergebenen
Ursi J.
d 5ten Dec.
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