23.01.2024

Briefe



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ID: 18625
Geschrieben am: Mittwoch 12.09.1888
 

12. Sept. 88. Wildbad.

Meine theure Frau Schumann,

Ich habe beinah geweint, als ich Ihren lieben Brief bekam. Das ist ja ein zu trauriges Mißverständniß! Aber wirklich wir sind nicht Schuld daran. Sie ließen es in Ihrem Schreiben vom 6. ganz im Unklaren, von wo aus Sie uns besuchen wollten, erwähnten Stuttgart mit keinem Wort, so daß wir alle drei den Eindruck bekommen mußten, Sie wollten einmal von Baden herüberfahren; Ihrem Bruder las ich heute die Stelle vor, u. er faßte sie ganz ebenso auf wie wir. Dies zu meiner Rechtfertigung theure liebe Frau! Wie unverschämt muß Ihnen meine falsche Voraussetzung erschienen sein! Es ist ein doppelter Schmerz für mich daß Sie glauben konnten, ich läse Ihre Briefe so unaufmerksam, u. daß alle Möglichkeit eines Wiedersehens hiermit vernichtet ist. Liebe liebe Frau Schumann, ich bin so betrübt! ach hätten Sie sich nur etwas deutlicher ausgedrückt, wenn Sie gestern oder heute hätten kommen können, es wäre ja die helle Freude gewesen aber ich konnte Ihre Zeilen nicht anders lesen als ich sie gelesen, da Sie nichts weiter fragten als: wie lang wir blieben u. wie weit es von hier nach B. zu fahren sei. Morgen ist nun Ihr Gebtag Sie Liebe an dem man so gerne Ihnen eine kl. Freude machen möchte; auch das bleibt mir versagt. Nur das beiliegende Bonbonierlein erlaube ich mir, blos als Zeichen meines Gedenkens, zu senden, es gehen 25 Drops hinein die ich nur wieder herausnahm weil es keine echt englischen waren, u. Unechtes paßt selbst in Zuckerln nicht zu Ihnen. Die Photogr. von mir soll Ihnen statt meiner innige Wünsche aussprechen, wie ich sie leider so viel wärmer empfinde als ich’s auszudrücken vermag. Möchte Ihnen doch Kummer möglichst in dem neuen Jahr erspart bleiben, Sie Theure, so vielfach Heimgesuchte, u. Sie mit der Freude für die Sie sich ein so junges empfänglich warmes Herz erhalten haben, einmal wieder vertraut werden. Ich danke Ihnen für Ihre lieben theilnehmenden Worte; daß Sie mir gut sind u. unsrer so treu gedenken ist ein Glück da<ß>s ich in schweren wie in besseren Tagen immer gleich zu schätzen weiß u. für das ich dem Himmel danke. Grüßen Sie mir Ihre lieben Zwei, Marie u. Eu u. lassen Sie sich die Hände küssen in inniger Liebe von Ihren allezeit getreuen
Herzogenbergs.

Meine Mutter protestirte gegen Einsendung ihres Bildes, es erschien ihr aufdringlich, ich sagte aber, sie könne es schon riskiren u. Sie würden sie in Effigie eben so lieb aufnehmen wie sonst in Person. Also unser aller herzlichste Glückwünsche! H. kann sich leider noch nicht fotografirn lassen. 14. Abends sind wir in Basel.

  Absender: Herzogenberg, Elisabeth von (691)
  Absendeort: Wildbad
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 15
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit den Familien Voigt, Preußer, Herzogenberg und anderen Korrespondenten in Leipzig / Editionsleitung: Thomas Synofzik, Michael Heinemann / Herausgeber: Annegret Rosenmüller, Ekaterina Smyka / Köln: Verlag Dohr / Erschienen: 2016
ISBN: 978-3-86846-026-1
698ff.

  Standort/Quelle:*) D-B, s: Mus. Nachl. K. Schumann 5,145
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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