Leipzig den 28. April.
Geliebte Frau Schumann
Sie sind nun schon im Besitze der lieben Lieder, die so freundlich waren den Weg zu Ihnen über Leipzig zu nehmen.
Wir hatten sie leider nur 24 Stunden im Hause u. da wir sie wegschickten geschah’s mit etwas schwerem Herzen, nur dadurch gemildert, dass Sie, die Würdigste von Allen, es waren, an die wir sie zu adressiren hatten. Es hat mich fast wehmüthig gestimmt zu hören, daß Sie wieder in Berlin sind. Denn solange Sie in England verweilten, gehörte es eben zu den Unmöglichkeiten Sie zu sehen, aber Sie jetzt so nah u. doch so unerreichbar zu wissen, das thut uns sehr an. Wir hätten Sie theure Frau noch gar zu gerne vor Thorschluß noch einmal gesehen u. wenn ich nicht gar so vernünftig wär’, würden Sie uns einen dieser Tage an Ihrer Thüre klingeln hören. Aber es geht eben nicht an, ich muß – dem Zahnarzt zu Liebe, nach Dresden, dann widmen wir einige Zeit Heinrichs armer Schwester dann eilen wir nach unserm geliebten Aussee in die von meinem Mann ersehnte Stille u. Einsamkeit die er zu fleißigster Arbeit benutzen wird. Wir haben uns diesmal ein winziges Bauernhäuschen gemiethet in dem wir eigenmächtig wirthschaften können, nehmen ein steirisches Mädchen mit u. gedenken in dieser Weise das Leben dort doppelt zu genießen u. noch billiger als sonst zu existiren. Schade, dass Sie ganz mit der Schweiz verheirathet sind u. man gar nicht hoffen kann, Sie in unsern unschuldigen Bergen einmal zu sehen; wie stolz wären wir, Ihnen unser Aussee vorstellen u. Sie mit seinen geheimsten Reizen bekannt machen zu können. Unser Zusammensein in Hertenstein ist mir in so lieber Erinnerung, dass ich lebhaft die Wiederholung eines solchen ersehne! Durch die Filu erfahre ich wohl bald Ihre Pläne u. wie es Ihnen die ganze Zeit ergangen. Die Lieder machen gewiß auch Ihnen rechte Freude, sie sind so schön in ihrer Einfachheit u. Sangbarkeit mit geringen Ausnahmen zu denen ich das mir unsympathische „Abendregen“ von G. Keller zähle, das mir geschraubt erscheint u. dessen Text wir zu schwülstig finden. „Willst Du daß ich geh’“ wollte uns auch im ganzen Ton nicht gefallen; diese Art Texte verträgt, find’ ich, nur volksthümliche Behandlung, sowohl des Dichters als des Musikers. Wie wunderbar getroffen in „wer steht vor meiner Kammerthür[“] u. „tritt auf tritt auf“ ist das, was hier fast an’s unfeine streift – irren wir uns? Von wunderbarster Wirkung finden wir [„]es kehrt die dunkle Schwalbe“, dann [„]Sommerfäden“, [„]Frühlingsabenddämmerung – aetherisch ferne Stimmen“ etc wie gerne wüßte ich Ihre Lieblinge!
Doch nun leben Sie wohl, Sie viel geliebte Frau. Lassen Sie sich bitten uns gut zu bleiben bis zum leider noch fernen nächsten Wiedersehen u. erlauben Sie mir, mich Ihnen manchmal durch ein paar Zeilen in’s Gedächtniß zu rufen. Der lieben Marie tausend innige Grüße von
Ihrer
Elisabeth.
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