Scheveningen d 19t Juli 1877.
Meine innig geliebte Clara
Das war eben eine köstliche Überraschung mit Ihrem Brief, denn auch so schnelle Nachricht erwartete ich ja nicht von Ihnen, u nun gar eine so frohe Kunde über das junge Glück Ihrer theuren Elise! – Wie gut traf es sich aber nun doch, daß Sie n. Büdesheim kamen u den neuen Sohn als so trefflich u liebenswürdig gleich kennen lernten. Tausend Dank für Ihre Worte u tausend treuste Wünsche Ihnen u dem jungen Paare! Bitte sprechen Sie Ihre [sic] Elise unsern Glückwunsch [aus], denn ich weiß sie ja nicht zu finden, selbst wenn ich ihr direkt schreiben wollte; sie weiß ja auch längst wie treu wir Freud u Leid mit Ihnen u Ihren Kindern empfinden u wie wir uns mitfreuen wenn ein wahrhaft glückliches Ereigniß Sie Alle erquickt! – Ich richte kühn diese Zeilen an Felix Addr. nach Zürich u hoffe daß Sie sie doch in nächster Zeit erhalten! – Laßen Sie mich immer Alles durch unsre gute Frl. Leser mit wissen, denn Sie dürfen u sollen wirklich nicht zu viel schreiben! – Nach rechtem unangenehmen Regenwetter mit Böen gestern, ist es heut köstlich u sonnig u klar, so daß das Meer schon früh in schönster Bläue uns war u wir bald nach 7 Uhr am Strande wanderten! – Wir sind rührend herzlich von Mad. Jacobson empfangen worden, leben wie die Prinzen u ist sie in Wahrheit wie eine liebevolle Schwester für uns. Mein Mann bekam schon vom Dr. Mehs (der ihn seit 14 Jahren kennt) einen Versuch an der Kehle mit Elektrizität; u soll täglich tüchtig frische Abreibungen mit Seewasser haben die er eben im Badhaus beginnt, wo gut eingeübte Leute dafür sind! – So wollen wir Bestes für gute Stärkung im Ganzen, u besonders für die Kehle erhoffen! – Doch genug, Sie haben Herz u Kopf voll genug, u doch mußte ich Ihnen gleich schreiben! – Ich fühle ja Alles so tief mit Ihnen, u wir danken Ihnen wieder u wieder für Alles Gute, Alles Liebe, Alles Erhebende durch Ihre Kunst –
Ade, ade wir müssen zu Tisch!
Den Kindern u Ihnen von uns Beiden tausend innige Grüße!
Ihre getreuste
Lida Bendemann
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