Liebe verehrte Frau Schumann!
Aus Bromberg schreibe ich diese Zeilen, wo ich heute Concert gebe, und von wo ich noch einige Städte, Danzig, Königsberg, etc. besuchen werde, bis zum 28ten. Dann kehre ich nach Berlin zurück. Die nächste Veranlassung ist die Bitte, eine junge Musikschülerin durch Einzeichnung Ihres Namens auf einen Fächer glücklich zu machen. Ich traf sie bei Webers, und zwar bevor ich das letzte Mal nach Frankfurt gieng. Dort wollte ich Sie bitten, aber Sie verließen Ladenburgs Haus früh, und so vergaß ich’s und nahm den Fächer unverrichteter Sache mit zurück! Seitdem lag er eingepackt bei mir, bis ihn gestern meine Nichte zu Ihnen per Post schickte; seien Sie also gnädig, und lösen Sie mein unvorsichtiges Versprechen ein! Ich vermuthe Sie in Wiesbaden, wo die wunderschöne, jugendlichen Lebens volle F dur Sinfonie v. Brahms ja unter ihm dieser Tage <gemacht> aufgeführt wird. Mir war es ein<e> großer Genuß das Werk einzustudiren und aufzuführen, wenn auch die Freude nicht ohne Wehmuth blieb. Zwar ist es unendlich viel, daß Brahms mir das Werk ohne mein Zuthun zur ersten Aufführung in Berlin überschickte, und ein Zeichen, daß seine Härte nicht bis zu dem Grade gieng, <die> den eine Benutzung seines Briefes vor Gericht mich annehmen lassen mußte. Aber der Inhalt seines Briefes bleibt eben bestehen, und vergißt sich nicht. – Wie ist es mit Ihrem Londoner Besuch? Ich hoffe es kommt noch dazu; das Wetter ist so mild, als wollte Sie der Himmel selbst dazu überreden. Geben Sie nach! Ich habe dieser Tage in Berlin die Janotha wieder gehört, und mich über die Fortschritte gefreut, die sie wieder gemacht hat. Finden Sie auch daß sie vorwärts kommt? Mir scheint namentlich der Ton im forte so schön zu bleiben, wie bei wenig andern Klavierspielern, und das piano hat etwas von der Intensivität, die Sie verlangen. Ich habe freilich nur ein paar Chopin’sche Sachen gehört. Wenn Sie mir ein Wort schreiben wollen, so thun Sie’s nur nach Berlin, man schickt mir die Briefe täglich nach. Ich habe diesen Winter viel Lasten auf mich genommen, und dennoch weiß ich noch nicht, ob ich den Zweck erreiche das Philharm. Orchester dem Berliner Musikwesen zu
erhalten. – Grüßen Sie von Herzen alle Ihre Lieben.
In Verehrung und Freundschaft
J. J.
Bromberg, d. 22.
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