Liebe verehrte Frau Schumann!
Mir thut es gar zu leid, daß unser Concert aufgeschoben worden ist, aber namentlich betrübt es mich, daß die Armschmerzen so anhaltend sind. Möchten sie [sic] doch bald wieder Ihr geliebtes Klavier für alles Schöne dienstbar machen können! Ich habe mich neu erkundigt, ob wir den Saal für nächsten Monat haben können, werde aber erst morgen Antwort kriegen und dann sofort schreiben. Wäre es Ihnen dann etwa möglich am 17ten d. Monats (Decbr) zu spielen? Darauf möchte ich sofort eine Antwort haben; denn der Saal wird dann vermuthlich frei, und ich legte gerne im Fall es Ihnen paßte gleich Beschlag darauf. Die Nähe von Weihnachten darf Sie nicht beeinflussen; es wird wenn Sie spielen dennoch voll. Mir will’s gar nicht in den Sinn, daß wir nur Geschäftliches mit einander vorhaben, statt von schöner Musik zu schreiben. Wie freute ich mich auf die neue Sonate! Um von etwas schönem Alten zu schreiben: wir haben vorgestern das A dur 4tett von Schumann recht con amore gespielt, und ich habe bei mehr als einer Stelle Ihrer gedacht. Am Freitag dirigirte ich den Elias von Mendelssohn (für Rudorff) der aber wieder munter ist; da hätte ich Sie auch gerne als Zuhörerin gehabt: es war eine wundervolle Leistung des Chors. Leben Sie wohl, liebe Frau Schumann! Lassen Sie bald Gutes hören
Ihrem
treu ergebnen
Joseph Joachim
Montag.
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