Berlin, d. 31ten Juli
Liebe, verehrte Freundin!
Über Ihres Bruders Alwin Angelegenheit will ich sofort genauere Information einziehen um ihm rathen zu können, und ihm bis zum 6ten August jedenfalls die ministerielle Zuschrift nach Berchtesgaden zurück senden. Sie waren so lieb mir zu meinem Geburtstag zu gratuliren, wofür ich von Herzen dankbar bin. Ich hätte Ihnen dies früher gesagt, wollte aber immer etwas ausführlicher schreiben, und leider stockt dann gerade alles – habe ich doch nur unerfreuliches zu melden! Meinen Geburtstag habe ich außer dem Haus verlebt, mit einigen Freunden die darauf bestanden mich in’s Freie zu nehmen. An Blumen und freundlichen Wünschen hat’s nicht gefehlt, aber die erwachsenen Kinder sind fern! Mein liebes Paulchen und die Kleinste waren im Haus, aber mit <mit> Mutter, die mir ja ganz fremd werden mußte, so schwer ich <sie> von <> ihr ließ. – Die Gerichtsverhandlung am 24ten Juni kam nicht zu Ende, weil noch viele Zeugen zu verhören sind, und so ward für die 2te November-Hälfte ein neuer Termin angesetzt, weil die Gerichtsferien dazwischen liegen. Meine Frau ist seit Mitte Juli mit Paul und Lieschen in Salzburg. Die Knaben haben zuerst zwei<nige> Tage ihrer Ferien im Haus verbracht, und vom 3ten Juli bis vorigen Mittwoch eine Schweizer Reise mit einem ältern Freund gemacht. Heute habe ich sie zu den Schwestern geschickt, die <bis> seit vorgestern in Waldesheim bei Düsseldorf mit ihrer Pensionsvorsteherin sind. Ich gehe übermorgen nach und werde dann erst Ferienpläne machen. Sonnabend müssen die Knaben wieder nach Pforta zurück. Was haben Sie vor? Ich würde mich sehr freuen könnte ich Sie irgendwo treffen, und würde trachten dies in meine Pläne zu verweben. Nach Salzburg gehe ich nicht. Bitte adressiren Sie nur hieher; wenn Sie mich durch Nachrichten freudiger stimmen mögten, so thun Sie ein gut’ Werk! Der arme Raff hat mir viel Theilnahme erweckt; gegen mich war immer unendlich mild und unegoistisch. Ich kann mir denken, wie Sie’s erschütterte.
Grüßen Sie Ihre lieben Kinder herzlich von Ihrem in Freundschaft
ergebnen
Joseph Joachim
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