23.01.2024

Briefe



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ID: 17466
Geschrieben am: Montag 16.08.1869
 

Liebe Frau Schumann

Wie leid hat es mir gethan zu hören, daß Ihr Aufenthalt in Rigi nicht so erquicklich ist, als wir hofften. Noch immer habe ich die reizende Woche in warmer Erinnerung, die wir mit Bendemann<s> droben verlebt! Auf unsrer Tour war’s himmlisch; immer das schönste Wetter, und eine Abwechslung an wohlthuenden und erhebenden Landschaften, wie ich sie noch nicht genossen. Wir blieben 8 Tage aus. Ich gebe aber die Hoffnung nicht auf, daß Sie wenigstens nächstes Jahr eine Tour im Salzburg’schen mit uns machen werden, das wohl unser <permanenter> regelmäßiger Erholungsaufenthalt werden dürfte. Zwar werde ich selbst künftig nur 6 Wochen Sommerferien haben, aber Frau und Kinder können doch die herrliche Bergluft, in der sie so gut gedeihen, 3 Monate lang haben, wenn sie etwa 3 Wochen früher hieher, und ebensoviel später nach Berlin zurück reisen. Wir zahlen für unsre geräumige Wohnung (von Anfang Juni bis Ende September) 380 Gulden; was die Reise mehr kostet erspart man dabei durch das im Vergleich zum Harz oder Thüringen billigere Leben, da wir eignen Haushalt führen. Für diesen Herbst haben wir vor, die beiden Jüngsten mit den vortrefflichen 2 Dienstboten bis zum 1ten Oktober hier zu lassen; meine Frau mit den Knaben u. mir, wir wollten in der 2ten Hälfte Septbrs voraus nach Hause, um den Umzug zu bewerkstelligen und in Ordnung zu sein wenn das kleinste Gesindel nachkömmt. Aber natürlich will ich sehr gerne mich mit meinen Arrangements darnach richten, ob ich etwa zur Zeit von Juliens Hochzeit bei Ihnen sein kann. Es hat mir die herzlichste Freude gemacht, daß Sie mich gern bei den Nächsten mit haben wollen, und ich danke innigst dafür. Haben Sie denn schon den Tag bestimmt? Ist es in den <1ten> ersten Tagen Septbrs so würde ich von hier aus den Abstecher machen, wenn nach dem 15ten, so reise ich über Karlsruhe nach Berlin. Darüber schreiben Sie mir wohl bald eine Zeile. – Ich bin in den letzten Tagen durch anhaltende Sorgen und Korrespondenz für meine Akademie-Stellung geplagt: Der abscheuliche Stockhausen hat uns den störendsten Streich durch seine bekannte Unzuverlässigkeit gespielt, und geht nach Stuttgart statt nach Berlin! Nun soll ich die Leitung des Ganzen übernehmen, um nur schneller Rath zu schaffen. Ich weiß mir aber kaum einen Rath in dieser Enttäuschung, und wenn ich auch für meine Abtheilung guten Muth behalte, so werde ich noch schwere Stunden durch zu machen haben, bevor die Gesangsklassen organisirt sind. Verzeihen Sie, verehrte Freundin, wenn ich heute nicht mehr schreibe; es ist so viel zu bedenken, das mich zu einem ruhigen Plauderstündchen, auf das ich mich eigentlich gefreut hatte, nicht kommen läßt. Zudem ist übermorgen Mozarteums-Concert, bei dem meine Frau und ich mit Orchester spielen, was das Gute hat, daß ich meine Violine in Schwung halte. Meine Frau war mit Julie v. Asten, die uns dieser Tage wieder verläßt, in Gmunden, um eine alte Freundin (Frau Dreyhan, bei der sie lange in Wien gewohnt) zu besuchen. Beide grüßen auf’s innigste. Julie bittet, wenn es Sie nicht plagt, ihr einen Brief, der auf dem Rigi für sie liegen muß, nach Baden zu schicken. Mich lassen Sie wohl bald wieder ein Wort hören, auch über den armen, guten Ludwig.
Herzliche Empfehlung an Ihre liebe Tochter von Ihrem
getreu ergebnen
Joseph Joachim

Salzburg d. 16ten

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
987ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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