Am 13ten März
Liebe, verehrte Freundin
Sie haben mir neulich durch Ihren [sic] und Ihrer lieben Marie Zeilen eine echte, schöne Freude bereitet. Meine Ursi wird Ihnen recht von Herzen gedankt haben. Daß ich es noch nicht selbst gethan, liegt an einer Menge Beschäftigungen, die in der letzten Zeit mir zufielen. Ich werde Ihnen einmal von der Zeit erzählen. Heute ist’s mir bloß darum zu thun, Ihnen noch besonders zu sagen, daß die Faust-Aufführung am 21ten definitiv vor sich gehen soll. Ich will eben in die vorletzte Chor-Probe am Klavier. Sonntag wird die letzte sein; Montag Morgens dann eine für Orchester allein, Dienstag, Donnerstag und Freitag Ensemble Proben. Könnten Sie doch zur Hauptaufführung kommen! Schreiben Sie mir, bitte, ja recht bald eine Zeile ob’s möglich ist, damit ich mich nicht vergebens, oder recht tüchtig voraus freuen kann! Stockhausen hat sich recht tüchtig, und als begeisterter Musiker gezeigt; er hat fast alle Arbeit ganz allein gethan! Sehr möglich ist’s auch, daß ich am 14ten April zum Geburtstag der Königin den Orpheus von Gluck einzustudiren bekomme, und aufzuführen. Der König dachte mir diese Freude zu, da Scholz auf unbestimmte Zeit nach Rom verreist. Aber Platen u. Fischer rühren einstweilen alle Hände dagegen; obwohl es die letzte Rolle ist, die meine Braut einstudiren wird, u. sie also mir das Vergnügen der Direktion gönnen könnten, schon aus diesem Grund! – Wenn wir uns nicht sehen, so schreibe ich Ihnen ausführlich über den Faust. Ich kann gar nicht genug sagen, wie sehr ich mich darauf freue. Unsere Heirath wird wohl erst im Mai sein. Ursi grüßt von Herzen, wie ich stets verbleibe
Ihr getreu ergebner
Joseph Joachim
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