Liebe Frau Schumann
die Schreibemaschine für Fräul. Leser ist verpackt und besorgt; das wird Ihnen lieb sein. Auf Ihren Wunsch schicke ich auch heute den Brief von Frl. Gisela an Sie; er war erbrochen als er in meine Hände kam. Ich weiß, daß G. es für unzart hält versiegelte Briefe zur Besorgung zu überschicken. Sie ist in den kleinsten Dingen rücksichtsvoll und harmonisch! Das erste Concert fiel sehr gut aus; alle Dinge giengen schön, und mit der Auswahl mußte man doch zufrieden sein: Gluck, Cherubini, Beethoven und Mozart! Mein Arm ist aber ein wenig angegriffen vom Spielen u. Dirigiren, darum auch meine kleine unruhige Schrift; das ist immer das erstemal und geht rasch vorüber. Neulich in der Probe spielten wir auch die C dur Sinfonie von Schumann; zur großen Freude an dem Werk bei den Musikern. Wir führen sie jedenfalls auf. Was hätte ich drum gegeben dieses Lieblingswerk einmal für den Komponisten einstudiren zu dürfen! – Die Passions-Musik in Hamburg war ergreifend schön. Grädner hatte das Werk sehr gut einstudirt; auch die Solistenf. waren befriedigend, nichts störte den Eindruck in der großen Kirche mit der herrlichen Orgel. Sie hätten auch Ihre Seele recht erlabt, und Ihrer Stimmung würde es eine Wohlthat gewesen sein, liebe, verehrte Frau! Harren Sie nur muthig aus in der großen Kaiserstadt, und denken Sie einstweilen an die Freude, die Sie den Ihrigen machen werden, wenn Sie zu Weihnachten heimkehren und Sich sagen dürfen, Sie hätten all das verbreitete Glück durch die schwersten Opfer ihnen allein geschaffen. Gott schütze Sie. Ich hoffe auf sehr baldiges Wiedersehen! Unser lieber Joh. war leider nicht in Hamburg; er hat mir viel Anerkennendes und Liebes über mein ungarsches [sic] Adagio geschrieben, was mich herzlich freut. Platen habe ich noch nicht gesprochen wegen des Concerts von Joh.; er wird mir es aber gewiß nicht abschlagen. Er thut jetzt Alles mit Freundlichkeit für mich.
Der Ihrige
J. J.
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