23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 17297
Geschrieben am: Sonntag 13.12.1857
 

Sonntag früh.

Liebe Frau Schumann.

Vergeben Sie, daß ich in den letzten Wochen immer nur so flüchtig schreibe; es kömmt aber so vielerlei zusammen, Umzug (eine Treppe höher), Proben zu den Quartetten, von denen gestern das dritte und letzte war, auch die Vorbereitung zur 9ten Sinfonie mit Chor, Solisten und Orchester, fremde Künstler etc. etc. Nächster Anlaß zu den heutigen Zeilen ist ein Auftrag der Königin wegen der neulich geschickten Mittel gegen Ihren Rheumatismus. Es hat sich nämlich gegen die Absicht der Königin in das Packet ihres Lieferanten noch allerlei Unnöthiges, ja Verdachterweckendes, Quacksalbereiartiges an Tinkturen und Bonbons eingeschlichen, und sie fürchtet, Sie möchten aus gerechtem Mißtrauen gegen diese Dinge unlustig sein, das Wesentliche, Eigentliche, das ihr so bald geholfen, zu gebrauchen. Nun bittet sie Sie, sich ja nicht abschrecken zu lassen und die sogenannte Waldwolle auf alle Fälle zu versuchen, dagegen werde auch Ihr Arzt keinesfalls etwas einwenden, da es gewiß auch nach seiner Meinung nichts schaden kann, und die Königin sich den wesentlichsten Erfolg aus Erfahrung verspricht. Mich freute es nur, daß ich gleich aus eigenem Antrieb bat, Sie möchten nichts ohne Ihren bisherigen Arzt von den Hannoverschen Sachen anwenden -- die arme Königin war ganz trostlos, als sie erfuhr, daß manches Unnöthige mitgeschickt ward, was Ihnen einen Zweifel in ihren praktischen gesunden Sinn einflößen konnte. Verzeihen Sie, daß ich nochmals auf die Geschichte zurück kam, ich weiß Sie hören und denken und reden ohnehin nicht gern von Unwohlsein mit Ihrer prächtigen kraftvertrauenden Energie - aber ich mußte die gute Königin in ihrer fürsorgenden Güte rechtfertigen, ihren Auftrag erfüllen. Jetzt und für später kein ähnlicher „Banu-banu quatsch“ zwischen uns! Für Sie wird etwas wunderschönes gar schön gebunden, von einer gar schönen für Sie denkenden Seele. Freuen Sie Sich einstweilen darauf!

Sonntag Nachmittag.
Eben kömmt Ihr Berner Brief. Wie bin ich froh, daß Sie der Stubenluft entrissen sind und schon allerlei freundliche, namentlich musikalische Eindrücke gehabt haben. Aber, beste Freundin, schonen Sie Ihren Arm! Nach Rom wird auf alle Fälle mitgegangen zum nächsten Winter. Hannover ist mir noch immer so kaltfremd, der Hof mit seinen leeren Anforderungen an die Kunst und mit des Königs Protrektion des „Klassischen“ bei besonderer Hinneigung seines Herzens zu nichtsnutzig Sentimentalem in der Musik, mir noch gerade so innerlich widerstehend wie je -- aber freilich wieder dann eine Kapelle zu dirigiren und die 9te Sinfonie nach Herzenslust einstudiren zu können, wie es dieser Tage war --- das macht manchmal schwankend! O, könnten Sie zum 19ten hier sein: Ouvert: v. Cherubini, Orpheus,9te! Das wird hoffentlich Ihres Mitgenusses würdig ausfallen. Von Johannes habe ich dieser Tage endlich gehört und wieder geschrieben, aber nicht genug; <> das Eis ist nun glücklich wieder gebrochen, und unsere herzliche Freundschaft wird oft zur Mittheilung drängen, da ich nun auch von ihm weiß, daß er nach direktem Verkehr selbst unter seiner Thätigkeit verlangt. Ich habe viel gespielt, aber nicht componirt seit Leipzig - auch fortwährend zu viel Fremdes gehört dazu. Leben Sie für heut wohl. Wenn nicht früher, so hören
Sie in München wieder von mir; es ist mir lieb, daß Lachner
sich so gut macht; für Sie und auch für die Musik im
Allgemeinen. Bitte bald wieder um ein paar Zeilen für
Ihren getreu ergebenen
J. J.

P. S. Ich adressire aufs Gerathewohl nach Winterthur. Grüßen Sie Biederman und Kirchner von mir.

frei.

Ihro Wohlgeboren
Frau Klara Schumann
Winterthur.
bei Herrn Rieter-Biedermann
Musikverleger abzugeben.

  Absender: Joachim, Joseph (773)
  Absendeort:
  Empfänger: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 2
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Joseph Joachim und seiner Familie / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Klaus Martin Kopitz / Dohr / Erschienen: 2019
ISBN: 978-3-86846-013-1
376ff

  Standort/Quelle:*) D-DÜhh: 55.1998, Nr. 50
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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