Verehrte Freundin!
Gewiß bin ich nicht schreibefaul, wenn ich mit Ihnen brieflich mich unterhalten soll: aber Sie haben keinen Begriff, wie vielerlei Dinge ich in den letzten Tagen in meiner Gedankenherberge zugleich unterbringen mußte. Namentlich war es meine Hannover’sche Angelegenheit, die Zeit in Anspruch nahm. Eben habe ich einen Brief an den König schreiben müssen: er hatte mir schließlich, da ich auf meinen Abschied bestand, sagen lassen: „Er wolle mir zwei Jahre Urlaub mit fortlaufendem Gehalt und der Verpflichtung, 4 mal im Winter in Hannover öffentlich zu spielen, geben. Ich brauchte nur schriftlich darum einzukommen"; der Brief wird nun wohl morgen abgegeben. Später (nach 2 Jahren) soll ich mit neuem, näher zu bestimmenden Kontrakt nach Übereinstimmung mit mir hier engagirt bleiben; wahrscheinlich nur um die Concerte zu dirigiren. Das ist sehr gnädig vom König, da ich nicht darum bath. Mein inniger Wunsch mit Brahms scheiterte leider daran, daß sich der König nur seines Zusammenseins mit Reményi erinnerte; wenigstens machte er, als ich neulich bei Gelegenheit eines Gesprächs über Orgel-Spieler Anlaß nahm von unserm Freund zu sprechen, wie er sich überhaupt immer herrlicher entwickelt habe, keine Hoffnung verheißende Miene. Wem wird aber um Johannes bange sein? Der hilft sich selbst! Herzinnig war ich über des Verehrten enthusiastisches Urtheil erfreut über Balladen und Sonate. Solche Stärkung ist dem bescheidenen Freunde zu gönnen, der so mild in seinem Urtheile gegen andere und streng gegen sich selbst ist. Ich bin schon höchst gespannt auf den Besuch in Endenich; wenn etwas wohlthuend wirken kann, so ist es dies Wiedersehen, von dem ich herrliche Nachrichten zu erhalten hoffe; ich weiß, Sie werden mich nicht vergessen. Habe ich recht? -- Morgen in der Probe will ich Ihrer und Johannes bei der Schubert’schen Sinfonie in C, die ich einzustudiren habe, gedenken, und auch der 4händigen C-dur Sonate an einem jener unvergeßlichen Musik-Nachmittage. Nach der Holländischen Reise sollen hoffentlich mehrere Da Capo’s folgen! Apropos von Holland: darf ich Sie vielleicht bitten, mir die im beifolgenden Brief aus Utrecht enthaltene Unterschrift entziffern zu helfen? Gewiß kennen Sie den Mann, der seiner Schrift nach wür- dig wäre, in Detmold bei Hofe angestellt zu werden. Engagements außer Berlin (und Danzig vielleicht) darf ich wohl den Winter nun nicht mehr annehmen; ich denke, über letzteres darf ich bald Nachricht senden. – Übermorgen spiele ich hier das E moll Concert (No. 7) von Spohr. - Ihre Güte hat mir durch das übersandte Bild heute eine neue Gelegenheit gegeben, Ihnen zu sagen, was ich so gerne thue, daß ich in aufrichtigster Dankbarkeit und Freundschaft bin und bleibe
Ihr verehrend ergebener
Joseph J.
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