Duesseldorf, den 2ten August 1856
Verehrter Liszt
Es wird mir von Frau Schumann die ernste Pflicht übertragen die Freunde von dem erschütternden Verlust, der sie betroffen, zu benachrichtigen; ihnen das Hinscheiden Schumanns anzuzeigen. Daß Du, der in frühen Tagen schon in künstlerischer und freundlicher Beziehung zu dem entschlummerten Meister gestanden, die Kunde besonders teilnehmend hören würdest, war einer meiner ersten Gedanken – denn mag auch Schicksal: äußere wie innere Erfahrung die Wege von Euch beiden gerade verschieden im Leben gestaltet haben, ja mögt Ihr das gegenseitig ausgesprochen haben – mir ist doch gewiß, daß Niemand den vollen Werth des leider uns entrückten Mannes reiner zu verstehen, schöner zu empfinden Macht und Willen hat als Du in diesem ernsten Moment.
Sicherlich thut es Dir leid, daß es Dir nicht gegönnt war wie mir, der Hülle des Meisters die letzte Ehre zu erzeigen als sie Donnerstag in Bonn bestattet wurde. Es war nicht im Sinn des Componisten der sich vorzugsweise in die eigensten innerlich heiligen Gefühle versenkte, den Freunden und Verehrern den Tag des Begräbnisses in öffentlichen Blättern bekannt zu machen; doch folgten viele Mitempfindende, Trauernde der Leiche nach Bonn. Sie ward von Künstlern und Kunstliebhabern der Ruhestätte entgegengetragen, den irdischen Resten Niebuhrs und Schlegels nahe begraben.
Frau Schumann ist gestern hieher zurückgekehrt; die Nähe der Ihren, und des gleich einem Sohne von Schumann geliebten Brahms gewährt der edlen Frau Trost, die selbst im tiefsten Schmerz mir ein edles Beispiel gottergebner Kraft erscheint. Ich bleibe wohl noch einige Tage hier in Düsseldorf, und rechne darauf ein von Dr. Pohl mir versprochenes Schreiben von Dir bald zu erhalten, für das ich im Voraus danke, und das ich bald zu beantworten hoffe.
In herzlicher Verehrung
Joseph Joachim
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