Düsseldorf d. 12 Juni 1851
Liebe Marie,
es geht heute eine Sendung meines Mannes an Gottschalk, der ich doch zum Wenigsten einen freundlichen Gruß an Sie beifügen muß, und Ihnen sagen, wie unendlich mich Ihr letzter Brief gefreut, in dem Sie so schöne Hoffnung für das Genesen Ihrer Augen aussprechen – möchte Gott es walten, daß Ihnen einmal wieder ein freudigeres Leben zu Theil würde! Können Wünsche etwas bewirken, so müssen es die Meinigen, die ja aus ganzer Seele kommen! –
Heute habe ich wieder, wie so oft eine Bitte an Sie; wenn Sie nämlich wieder zu dem Augenarzt reisen, ihn einmal ernstlich wegen des Augen¬übels einer meiner liebsten Freundinnen hier zu befragen; ich will es Ih¬nen so viel ich davon weiß beschreiben. Sie war 10 Jahr, jetzt ist sie 35, glaub’ ich, als sie sich eine starke Erkältung zuzog, die sich auf die Augen warf, jedoch nach 3 Monaten völlig wieder geheilt waren; einige Monate darauf erhielt sie von ihrem Lehrer, |2| ein roher, zorniger Mann, bei’m Clavierspielen einen solchen Schlag auf den Kopf, daß sie in Ohnmacht fiel, und krank wurde; dieß warf sich nun aber mit Macht wieder auf die Augen; anstatt nun denselben Arzt wie früher zu nehmen, rieth man ihr einen Anderen, der ihr die schärfsten Mittel in die Augen gab, sogar fei¬nes Glas, wo sie furchtbar ausstand – kurz, sie wurde ganz blind, und ist es bis heutigen Tages geblieben; ihr Uebel ist nicht der Staar, sondern es haben sich in den Augen große Narben gebildet, die nicht fortzubringen sind; sie hat mehrmals Kreuznach gebraucht und jedes Mal für einige Zeit Erleichterung gespürt, doch nichts mehr. Sie ist nun ohne alle Hoffnung! wie Sie mir aber von dem Arzte schrieben, versprach ich ihr an Sie deshalb zu schreiben, ob der Arzt glaubt, daß noch eine Möglichkeit vorhanden ist, ihr wenigstens ein Auge wieder zu geben, dann käme sie gleich hin. Will er sich vielleicht mit ihr direct in Correspondenz |3| setzen, so bitte, sch¬reiben Sie mir seine Adresse genau. Noch möchten Sie ihm wohl sagen, daß sie zuweilen im Stande ist durch einen kleinen Punct im Auge eine Farbe zu erkennen – aber nur einen ganz kleinen Punct ist sie im Stande festzuhalten, und den sehr kurze Zeit. Ach, könnte ihr geholfen werden, wie sollte mich das beglücken! –
Gestern habe ich viel nach Dresden gedacht – es war ja Emiliens Trauung! waren Sie dabei? wohl auch bei der Hochzeit? oder etwa nicht, weil Sie freisinnig? oh, erbärmliche Menschheit, offen gestanden, ich habe keine Sympathie für den Mann nach seinen Briefen und Emilie wird, glaube ich, eine ächte, kleinliche Dresdnerin werden, was mir herzlich leid thut! Dies aber unter uns. Gott gebe ihr nur eine glückliche Ehe, dann ist Alles gut! – Was für eine Frau ist ihre Mutter? bitte, schreiben Sie mir Etwas davon.
Von uns kann ich Ihnen, Gott sey Dank, Gutes schreiben! Robert ist recht |4| sehr fleißig, ich, leider nicht so, denn noch immer darf ich nur Wenig thuen. Man sagt, mir es würde besser werden, wenn die Hälfte meiner Schwangerschaft vorüber wäre! in Dresden habe ich nie in der Zeit so gelitten! es muß hier an der Luft liegen.
Ich schriebe so gern noch recht viel, doch schon dieß, was ich Ihnen schrieb, kostet mir heute schlimme Stunden, denn jeder Brief verursacht mir Migräne. Ich konnte es aber nicht lassen, ein wenig <> mit Ihnen, liebe Marie, zu plaudern, und da ich weiß, es macht Ihnen Freude, so eifert mich das doppelt an. Aber furchtbar habe ich, wie ich eben sehe, geschrie¬ben, verzeihen Sie es, nicht so schwülstig sieht es in meinem Herzen aus, als in diesem Briefe! –
So leben Sie denn wohl, erhalten Sie Sich immer frischen Muth – Gott wird Ihnen helfen!
Mit herzlichsten Grüßen und Wünschen
Ihre
Clara Schumann.
Auguste Gehe sagen Sie meinen schönen Gruß – sie soll Meiner manch¬mal freundlich gedenken.
Schreiben Sie mir auch, was Sie mit Ihrem Bruder erreicht haben? ich habe, offen gestanden, wenig Hoffnung – die Zeiten sind jetzt nicht dar¬nach! –