Düsseldorf d. 27 Dec. 1850
Meine liebe Marie,
Sie haben mich durch Ihren lieben Brief doppelt erfreut! einmal durch Ihre freundliche Theilnahme an unserem Geschick, dann durch die gu¬ten Nachrichten über Ihre Matinée! mit der herzlichsten Freude las ich, was Sie mir darüber schrieben, und wohl that mir das Bewußtsein Ihnen immer zugeredet zu haben, mehr Energie und mehr Selbstvertrauen zu zeigen; besonders freute es mich, daß Sie die Fuge so gut gespielt haben – ich hoffe, Sie spielen immer fleißig fort im Bach – ich fand immer, daß Sie die Fugen vorzugsweise gut spielten. Ich kann mir denken, welch schöner Lohn es Ihnen für allen Fleiß sein mußte, Ihrem Bruder mit Ihren Talen¬ten solch eine Unterstützung gewähren zu können! aber nach Amerika gehen Sie ja nicht so gleich, da muß man doch reiflich überlegen. |2| Besonders müßten gerade Sie wegen Ihrer Augen und sonstigen Leiden mit einem geschickten Arzte Rücksprache nehmen, ob Sie auch das Clima dort vertragen würden; wenn es Ihnen irgend erträglich in Dresden geht, so bleiben Sie lieber dort! ein anderes Ding wäre es, fänden Sie in Ihrem Bruder eine Stütze, dann würde ich gewiß sagen, gehen Sie zu Ihm, aber so können Sie leicht in große Noth gerathen, und was dann? eine Fremde unter Fremden? das ist kein Spaß! –
Ich schreibe aber am Ende den Bogen voll und noch immer ┌wissen┐ Sie nicht, was es mit Beifolgendem soll, darum nun erst gleich heraus mit meinen Bitten, die Sie mir im Voraus freundlich verzeihen mögen. Emilie schrieb mir, daß sie nach Weihnachten mit ihrem Bräutigam nach Leipzig reise, und da ich die Sachen gern bald besorgt wünschte, so schicke ich sie Ihnen. Ich wünschte Alles Inliegende gewaschen zu haben, und da es hier zwei mal so theuer ist, so ließ ich eine Parthie zusammen kommen, und bitte Sie nun recht freundlich, das <?> Barêge-|3|Kleid, die weiße Mantille, so wie den rosa Felbel und 10 Kragenbänder zur Frau Thieme (Badergasse bei’m Herrenschneider Thiemer – oder Thieme – ich weiß nicht genau) senden zu wollen mit der Bitte, es recht bald zu waschen, zugleich aber zu bemerken, daß, wenn sich der rosa Felbel nicht waschen läßt, die Frau ihn mir rosa auffärben lassen möchte. Zugleich wünschte ich die beiliegenden Spitzen, Kragen ect. bei der Fräulein Heflen, neben der Münze (am Zwinger) Nro 3 (glaube ich ist es) waschen zu lassen; es sind aber drei Kragen dabei auf die ich Nro 1 ┌2┐ und 3 stecken will, von diesen Dreien wünschte ich den Preis für das Waschen besonders angegeben. Ich lege auf die Spitzen, wie die anderen Sachen ein Zeddelchen mit genauer Angabe, was es ist, und bitte Sie, wenn Sie Alles wieder beisammen haben, es mir gleich wieder zu schicken, und von Beiden die Rechnungen beizu¬legen, damit ich allsogleich meine Schuld abmache. Verzeihen Sie ja, daß ich Ihnen so viel Mühe mache, doch ich weiß Sie thuen es gerne, und das |4| ermuthigte mich dazu. Noch Eins: sollte die Wäscherin das Färben des rosa Felbel nicht übernehmen wollen, so besorgen Sie es gütigst am Quäkbrunnen Nro 1, zugleich aber mit dem Bemerken, daß Sie es in 8 Tagen wieder haben müssen. Auch möchte ich gern, daß die Thieme, wie die Heflen ihre Adresse genau angegeben unter die Rechnung schrie¬ben, damit ich später direct schicken kann, und nicht erst Sie oder Emilie bemühen muß. Sagen Sie übrigens Beiden, daß sie mich nicht übertheuern dürfen, denn dann schickte ich nichts mehr. Nun genug der Geschäffte!
Wir leben hier sehr vergnügt und glücklich, machen herrliche Musik die Menge und werden auf Händen getragen. Das zweite Abonnement-Concert war wundervoll – die A dur Symphonie von Beethoven ging prachtvoll und das Requiem für Mignon erregte den höchsten Enthusias¬mus, das sollten Sie aber auch mit Orchester hören! – Im dritten Concerte am 21ten führten <für> ┌wir┐ den Israel von Händel, eines der pracht¬vollsten Werke, das ich kenne, auf und zwar eine durchweg gelungene Aufführung. Wir haben eine |5| Sopranistin hier, die eine herrliche Stimme hat und vortrefflich singt, außerdem wirkte Frl. Schloß mit u. A. mehr. Im vierten Concerte <ist da> am 9ten Januar ist das Programm Folgendes: Ouvertüre zu Coriolan von Beeth, Concert G dur von Beet¬hoven, von Herrn Tausch (ein tüchtiger Klavierspieler und bester Lehrer hier) vorgetragen, Arie mit Chor aus Orpheus von Gluck (Sophie Schloß) Ouvertüre von Hiller, und zum zweiten Theil, rathen Sie, was? eine neue Symphonie meines Mannes, mit der er mich zu Weihnachten überrasch¬te, von deren Entstehen ich keine Ahndung hatte. Sie können Sich mei¬ne Freude denken! – Außerdem überraschte er mich auch noch mit dem vollendeten Klavierauszuge der Genovefa, den ich lange mit Sehnsucht erwartet hatte. Am heiligen Abend dachte ich recht viel nach Dresden, und besonders Tags zuvor, wo wir so wie angenagelt zusammen saßen und bei unserer Puppelei beinah verhungerten! hier haben mir mehrere Bekannte die Puppen besorgt, so daß ich nichts damit zu thuen hatte, was mir sehr |6| lieb war, denn ich hatte so genug zu thuen.
Nun will ich aber aufhören zu schwatzen, und wünsche Ihnen, liebe Marie, recht viel Gutes, besonders Gesundheit für das neue Jahr. Behalten Sie mich auch in diesem neuen Jahre ein wenig lieb.
Emilien theilen Sie wohl Einiges mit, was sie interressirt! es mangelt mir zu sehr an Zeit, als daß ich ihr jetzt schreiben könnte. Grüßen Sie sie und sagen Sie ihr, daß ich ihren Brief erhalten, und nur das Eine mich betrübt hat<te>, daß ich Etwas daraus ersah, dessen ich ihr Herz nicht fähig gehalten hätte – Sie wissen wohl, was ich meine, und mußten es ja am bittersten empfinden. –
Da fällt mir noch Etwas ein, um daß ich Sie auch noch bitten möchte! Emilie hat Ihnen vielleicht gesagt, daß Schink das Bad nicht behalten will, da wollte ich Sie nun bitten ihm zu sagen, daß es mir nicht eingefallen ist zu sagen, ich wolle es zurücknehmen, sondern ich sagte ihm, ich wolle ihm, habe er Verlust daran später Etwas wieder zurückgeben; |7| wie kann davon die Rede sein, daß ich das ganze Ding zurücknehme, es würde ja Transport hierher wenigstens 3 Thaler <so> kosten; bitte, sagen Sie ihm also, ich wolle ihm 2 Thaler herausgeben, drei Thaler (Fünf hat er mir nämlich gegeben) sei das Ding ja werth an Blech. Ich kann es unmöglich zurücknehmen.
Gern wüßte ich, was Frl. Malinska, Frau Weigle, Fink’s, die Sie Alle recht herzlich grüßen mögen, machten? welche Pläne hat Erstere? Tau¬senderlei möchte ich fragen, doch, es ist genug, Ihre armen Augen thuen Ihnen gewiß schon sehr weh und bereite ich Ihnen statt Freude, Schmerz!
So leben Sie denn wohl und gedenken freundlich im Geiste, und recht bald mit einigen Worten
Ihrer
Clara Schumann.