23.01.2024

Briefe



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ID: 14143
Geschrieben am: Donnerstag 23.03.1865
 

Naumburg, den 23. März 1865.
Was ich Dir, mein lieber Johannes, heute mitteile, wird Dich nicht erfreuen, der Entschluß ist mir auch schwer genug geworden, ich mußte ihn aber fassen. Ich gehe von Mitte April bis Ende Mai nach London. Joachim schrieb mir und bot mir vor der Hand schon so viel Engagements, daß ich gegen alles Risiko gesichert bin, und versprach, daß sich, wäre ich nur ’mal erst bestimmt da, vieles noch finden würde. Ich habe gerechnet hin und her! Wenn ich nicht eine Aussicht, noch etwas zu verdienen, wahrnehme, so kann ich diesen Sommer sicher darauf rechnen, daß ich von meinem Kapital 2 000 Taler wenigstens zusetze. Hätte ich nicht die Kraft, nun, so verböte es sich natürlich von selbst, so aber halte ich es für eine Pflicht.
Mit meiner Hand geht es, Gott sei Dank, immer besser, wenngleich sie mich noch manchmal beunruhigt, das gibt sich aber gewiß, wenn’s erst ’mal warm wird. Der Gedanke, daß ich, wenn ich zurückkehre und Glück gehabt, ruhig den Sommer verleben kann, und dann auch Dein Dortsein froher genießen werde, gibt mir Mut – Du kannst Dir wohl denken, daß der Verlust des Mais in Baden mir schmerzlich genug ist! Nun, jetzt hilft das alles nichts, ich mußte mich schnell entscheiden, und vielleicht war es ein gutes Omen, daß mich die Anträge inmitten recht ernstlicher Sorgen trafen. Ich habe aber zugleich den festen Entschluß gefaßt, nicht länger als bis höchstens 14. Juni auszuhalten, und dann ruhig in Baden zu bleiben, keine Reise im Sommer zu machen – dann kann ich doch noch immer 4 Monate der Ruhe pflegen. Du wirst räsonnieren, nicht wahr, lieber Johannes, doch, wärest Du Vater von sieben Kindern, tätest Du sicher wie ich.
Nach Prag gehe ich nun am 3. April, spiele dort am 6. und 8. und reise am 9. direkt nach Düsseldorf, um dort in der Osterwoche noch manches vorzubereiten. Heute bin ich zu einer Soiree hierher gereist. Sonnabend gehe ich wieder nach Leipzig, spiele Sonntag im Quartett Dein A dur-Quartett, das wir diesen Morgen schön studiert haben, und Montag hoffe ich wieder in Dresden zu sein, wo es bei Hübners höchst gemüthlich ist – da bleibe ich bis zum 3. April. Nun weißt Du meinen ganzen nächsten Lebenslauf! –
. . . . Die Prinzeß ist ganz unglücklich über die lebendig begrabene Sonate! Was hast Du denn mit dem letzten Satz gemacht? Soll ich Dir das Sextett von London selbst mitbringen, oder wünschest Du es früher?
Meine Hand tut plötzlich recht weh, da will ich denn lieber schließen – ich schreibe eigentlich noch gar nicht wieder eigenhändig.
. . . . Leb wohl und froh, lieber Freund, und gib bald wieder ein Zeichen
Deiner
Clara.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Naumburg
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
  Empfangsort: Wien
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
975f.

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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