23.01.2024

Briefe



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ID: 14115
Geschrieben am: Donnerstag 12.12.1861 bis: 13.12.1861
 

Leipzig, den 12. Dezember 1861.
Mein lieber Johannes,
zweimal saß ich gestern mit der Feder in der Hand, Dir wenigstens einen Gruß zu senden, und jedesmal kam Besuch. Zwar habe ich Dir noch wenig mitzuteilen, aber so gern sage ich Dir, wieviel ich an Dich denke und an die schöne trauliche Zeit in Hamburg mit Dir. Wie gut hat mir das getan. Ich trennte mich doch recht schwer von Dir, wenngleich es ja mit dem Gedanken an baldiges Wiedersehen geschehen konnte! – Es ist doch anders, kann man auf „bald“ hoffen, als türmen sich einem Monate wie Felsen auf, die alle man erst zu übersteigen hat, ehe man sich wieder sieht.
. . . . . Freitag, den 13. So weit kam ich und wieder ein Besuch! Inzwischen aber auch Dein lieber Gruß, den ich gerade vor dem Konzert erhielt, und der mich froh machte – laß Dir die Hand dafür drücken.
Das Konzert ist sehr gut ausgefallen, sie haben es schön begleitet – ich habe doch wieder mehr Respekt vor dem Leipziger Orchester bekommen, sie haben das Konzert eigentlich besser begleitet als in Hannover, und gleich das erstemal, ohne daß wir auch nur eine Stelle zu wiederholen brauchten – sie sind hier eben sehr gewöhnt, zu begleiten. – Ich habe immer noch so einen kleinen Verdacht, ob Reinecke es schon vorher durchgenommen hatte! –
Es wurden das „Zigeunerleben“, „Es zieht mich nach dem Dörfchen hin“ und „Das Schifflein“ mit Horn und Flöte vom Robert ganz reizend gesungen, und gefielen außerordentlich, letzteres wurde wiederholt. Da habe ich mich auch über Grädeners schöne Instrumentation gefreut – es klingt wirklich prachtvoll; ich hatte es neulich mal in Köln gehört, es war aber mit der gestrigen Aufführung nicht zu vergleichen. Eine neue Ouvertüre von Jadassohn war nicht eben besonders erfreulich. Lange ist mir ein Werk nicht so in sich unzusammenhängend erschienen – lauter aneinandergereihte Stückchen, das eine von da, das andere von dort genommen – tragisch natürlich, gehörige Paukenwirbel und C moll. Ein „Salvum fac regem“ von Reinecke (es war Königs Geburtstag) klang sehr hübsch – er instrumentiert meist sehr wohlklingend – nun, das lernt ein fleißiger Mensch schon.
Im Musiker-Pensionsfond-Konzert werden wir das C dur von Bach für 3 Klaviere spielen, das Mozartsche, meint Moscheles, sei zu zopfig, es sei kaum anders, als eine Pleyelsche Sonate. Ich wünschte aber doch, wir probierten es wenigstens. Der alte Herr strahlt vor Freude, daß wir zusammen spielen sollen.
. . . . Rudorff sehe ich ziemlich viel, heute will ich ihm Dein Konzert vorspielen, wozu er sich bei Röder die Partitur geholt hat; jetzt war ich recht froh, daß er sie noch hatte. Deine Variationen habe ich glücklich durchgesetzt, d. h. ich habe eben niemand gefragt, sondern einfach auf das Programm gesetzt. Denke morgen um 7 1/2 Uhr an mich, da befinde ich mich im Feuer des Gefechts, mit der Fuge wenigstens. Ich werde recht an alles denken, was Du mir noch am letzten Morgen gesagt, und so gut spielen, als ich es kann; gefallen sie nicht, nun, so kränke ich mich auch nicht; ich spiele sie, weil sie so herrlich sind, und bedaure dann nur die Menschen, deren Kopf und Herz mit Brettern vernagelt ist – einmal kommt’s doch.
Hierbei folgt für den kleinen Avé ein hannöversches Siegel – es fiel mir ein, daß Avé mich manchmal für seinen Sohn darum bat.
Verzeihe, ein garstiger Tintenfleck kam mir da oben darauf, den möchte ich dir nicht schicken.
Jetzt aber grüße mir alle, die Deinigen zuoberst, dann Wagners, Avés, Völkers usw.
Julie grüßt schönstens, und ich umarme Dich in alter treuer Freundschaft.
Deine Clara.
Arbeitest Du fleißig? Schreibst Du auch das A-Quartett?

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Leipzig
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Hamm bei Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
811-814

  Standort/Quelle:*)
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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