23.01.2024

Briefe



Rückwärts
	
ID: 14103
Geschrieben am: Montag 19.11.1860
 

Berlin, den 19. November 1860.
Lieber Johannes,
Du erhältst hierbei noch ein Buch von Frau Zimmermann, sie bittet Dich aber, da sie es Donnerstag braucht, es Mittwoch wieder abzuschicken, und erbietet sich, wenn Dir etwas davon gefällt . . . . . es Dir hier abschreiben zu lassen, Du möchtest die Stücke nur mit einem x bezeichnen, die Du wünschest.
Die Papiere erhältst Du morgen auch, erschrick Dich aber nicht über das Porto; ich kann es Dir leider nicht ersparen, da ich dieselben nicht mit mir herumzuschleppen wage, auch nicht ohne Wertangabe schicken mag, wenigstens widerriet mir dies H. Mendelssohn entschieden.
Nun eins, was ich Dir neulich zu schreiben vergessen. In Dresden wurde mir eine junge Livländerin zugeführt, die dort, um Musik zu studieren, sich aufhält . . . . . Sie wollte durchaus mir nachreisen etc., nun, das wäre ja lächerlich! Das Mädchen hat aber offenbar Talent, und da dachte ich, Du könntest sie übernehmen (es ist ihr wirklich Ernst mit der Musik, und ich glaube, Du würdest bald Freude an ihr haben), und versprach ihr, Dir gleich darüber zu schreiben. Ich habe ihr nun für den Fall, Du nimmst sie an, Frau Brandt empfohlen, und wollte Dich bitten, bei dieser anzufragen, ob sie sie aufnehmen kann, und zu welchen Bedingungen? Die Deinigen (2 Tlr. die Stunde – sie will zwei Klavier- und eine Theoriestunde wöchentlich) habe ich ihr schon mitgeteilt. Sie ist nicht bemittelt, jedoch hat sie so viel, um eben ein Jahr ihrer Ausbildung zu leben. Schade nur, daß sie nicht hübsch, und doch für sie selbst wohl ein Glück. Ich habe ihr auch gesagt, Du würdest ihr gewiß jede Gelegenheit, wo sie hören und lernen kann, verschaffen, z. B. sie in Deinen Verein aufnehmen! Bitte, tue für sie, was Du kannst, ich glaube, sie verdient es. Vor allem, schreibe mir gleich darüber – die Ärmste lauert schon seit 10 Tagen auf meine Antwort.
. . . . . Hier geht es mir nicht sehr gut, ich bin nie recht frisch, strenge mich viel an, und verdiene gar nichts als – grüne Lorbeeren, davon lebt man nur leider nicht. Dabei ist das Publikum so blasiert, hat so gar keine Empfänglichkeit, daß ich all meine schönen Pläne, Händel, Bach, Brahms (Var.), Schumann (Davidsbündler) aufgegeben – ich gebe meine Soireen nur, weil ich sie einmal angekündigt, die Freude daran ist mir aber verdorben. Ich kann, was mir recht lieb ist, nur gern spielen vor Leuten, die teilnehmend. So bald hier nicht wieder.
Radecke wird Dir nächstens für Deinen Chor etwas von sich schicken, er meint, wenn er es Dir hätte abschreiben lassen, dann müßtest Du es doch annehmen. Also eine Überraschung!
Nota Bene: Sag Fritz und Elise, daß sie die Kupons von den Papieren sondern, jedes an einem andern Ort verwahren, das tut man immer, wird einem das eine gestohlen, so hat man das andere als Beleg, auch sollen sie sich die Nummern genau notieren, im Falle eines Brandes oder Diebstahls. Und nun Adieu, lieber Johannes.
Ich sehne mich nach Brief von Dir.
Getreuest Deine
Clara.





  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Berlin
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Hamburg
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
737ff.

  Standort/Quelle:*) unbekannt, vgl. Druck
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



Wir verwenden Cookies, um Ihnen den bestmöglichen Service zu gewährleisten (Mehr Informationen).
Wenn Sie auf unserer Seite weitersurfen, stimmen Sie bitte der Cookie-Nutzung zu. Ich stimme zu.