23.01.2024

Briefe



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ID: 14089
Geschrieben am: Donnerstag 27.10.1859
 

Düsseldorf, den 27. Oktober 1859.
Ich kann Dir, lieber Johannes, nun endlich den Tag meiner Abreise nach Detmold sagen. Ich denke den 5. November, also Sonnabend in 8 Tagen, hier abzureisen, bin um 11 Uhr in Bielefeld und wahrscheinlich um 3 Uhr? in Detmold. Oder soll ich lieber über Hamm und Paderborn gehen? Bitte, erkundige Dich nach dem besten, kürzesten Weg. Dann bestelle mir zwei nette Zimmer im Gasthof, ein Wohnzimmer und Schlafzimmer mit zwei Betten – ich werde Marie mitbringen. Nun bitte ich Dich, richte ja ein, daß ich in 8 Tagen (länger kann ich nicht bleiben, weil ich dann in Bonn spielen muß) alles, was möglich, höre – Du mußt mich recht entschädigen für vieles.
Die Stereoskope bringe ich mit (ich hatte sie längst), Du hattest mir aber nicht gesagt, ob Du papierne oder gläserne haben wolltest? Letztere waren viermal so teuer, und nicht so viel schöner im Verhältnis, darum habe ich sie nur auf Papier genommen.
Hat die Prinzeß Friederike Dich nie nach mir gefragt? Du erwähntest ihrer noch mit keiner Silbe; weiß sie denn auch, daß ich komme? Eben fällt mir ein, daß Ihr am Ende in Detmold eine Schillerfeier habt, und ich am Ende gar wenig anderes hören kann? Dann schreibe es mir aber ja, ich richte mich dann anders ein, denn anderes als von Dir zu hören, dazu komme ich nicht nach Detmold. Dieses Schillerfest verfolgt einen förmlich, und schadet mir obendrein recht viel, denn bis dies vorbei, ist nirgends etwas mit eignen Konzerten anzufangen. – In Aachen und Köln habe ich vorige und diese Woche gespielt, in Köln das G dur-Konzert von Beethoven – das Publikum war entzückt, ich aber doch am meisten – das ist doch ein göttliches Konzert, und ich spiele es mit jedem Male schöner, das fühle ich. Da fällt mir ein, wäre es nicht möglich, daß Du mir in Detmold u. a. das G dur von Mozart spieltest? Das hörte ich so gern einmal.
. . . . . . . Mit N. hast Du schon recht, doch die kleine Eifersucht (anderen gegenüber) ist menschlich – Menschen, ganz fern von dieser Schwäche, wie Robert es war, gibt es unter Millionen kaum einen. . . . . . . .
Der Rackemann kommt mir wie der ewige Jude vor. Daß der kein Nachfolger für 40 junge Mädchen, das steht fest – Vierzigen auf einmal den Hof zu machen, dazu gehört eine andere Statur, nicht zu gedenken der reizenden Liedlein alle, deren kleinstes Teil er keines zustande brächte. Wie konnte ich aber auch an den langweiligsten aller Erdensöhne denken als Deinen Nachfolger!
Ich bleibe bis zum 2. November hier, am 3. spiele ich in Krefeld im Abonnements-Konzert. Leider kommt nur bei all den Konzerten so wenig heraus.
Nun, hoffentlich bald mündlich weiteres.
Sei herzlich gegrüßt, lieber Johannes
von Deiner
Clara.
Alle grüßen Dich freundlich wieder, die Du durch mich gegrüßt hattest.
Schreibe, bitte, bald.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Brahms, Johannes (246)
Empfangsort: Detmold
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 3
Briefwechsel Robert und Clara Schumanns mit Johannes Brahms und seinen Eltern / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Thomas Synofzik / Dohr / Erschienen: 2022
ISBN: 978-3-86846-014-8
654ff.

  Standort/Quelle:*) D-B: Mus. Nachl. K.Schumann
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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