23.01.2024

Briefe



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ID: 14045
Geschrieben am: Dienstag 08.03.1853
 

Düsseldorf d. 8 März 1853
Meine liebe Marie,
recht lange schrieb ich Ihnen nicht, und zwar deshalb, weil ich Ihnen nicht schreiben wollte, ohne zugleich unsere Ankunft in Leipzig zu melden, nun aber hat sich wieder Alles anders gefügt! mein Mann ist noch immer nicht wohl genug, um sich den Strapatzen einer Kunstreise aussetzen zu können; Sie wissen, wenn wir in Leipzig sind, so geht es von Früh bis Abend mit Besuchen machen und empfangen, dabei Proben, Concert ect. ect. Wir haben aus diesem Grunde nun abgeschrieben, eben so auch in Hamburg und ebenso in Holland. Daß ich darüber betrübt bin, werden Sie Sich denken können, doch ich sehe wohl ein, daß es so vernünftiger war, und umsomehr muß sich ja mein Mann schonen, als er Kräffte zum Musikfest braucht, welches wahrscheinlich Anfang Juni hier statt findet. Werden Sie, meine liebe Marie dazu herkommen? es wird gewiß ein schönes Fest! –
Die ┌Johanna┐ Wagner soll dazu herkommen, und ihretwegen wird es auch vom 15 Mai auf Juni verschoben, denn bei diesen Festen ist im¬mer eine |2| Sängerin von Namen eine große Hauptsache. An die Lind hatte ich auch deshalb geschrieben, sie ließ uns aber 4 Wochen ohne Ant¬wort (mein Mann hatte ihr geschrieben und ihr zugleich ein Geschenk „die Rose“ beigelegt) und dann, als ich ihr kurz wieder schrieb, daß sie doch wenigstens antworten möchte, so schrieb sie natürlich ab, und äu¬ßerte, sie habe das Schreiben meines Mannes gar nicht für eine förmliche Einladung genommen ect. ect. Nun, was sollte das heißen! nur deshalb schrieb ihr mein Mann, sagte ihr das Programm der drei Tage, und daß er das Hauptdirigiramt übernommen ect. und wäre das Alles nicht gewesen, so mußte sie ihm doch für das Werk danken, das ihr mein Mann so aus einer Verehrung schickte! ich war recht bös darüber. Ich hörte übrigens neulich, daß die Lind und ihr Mann gar nicht glücklich seyen, und kann mir das sehr gut denken, denn ein launenhaftes Weib kann <> nie einen Mann vollkommen beglücken.
Was Ihre Vorschläge betrifft, liebe Marie, so beantworten sie sich Alle durch unser Nichtkommen nach Leipzig – ich glaube aber gewiß, daß wir nächsten Herbst dahin gehen, und dann kommen wir auch nach Dresden. Ach, könnten wir doch ganz nach Leipzig, es wäre doch für meinen Mann der beste Aufenthalt! und wir wären Ihnen |3| dann ja auch näher! – Ich begreife es gar nicht, daß sie sich den Gade immer kommen lassen, halb Gade halb David haben, und könnten an meinem Mann Ei¬nen haben, der sich den Concerten mit Leib und Seele widmen würde, der ebenso gut wie Gade und wohl noch mehr die Programms durch immer neue herrliche Werke bereichern würde ect.! – Und warum ist es nicht? nur weil da Einer ist, der ihn nicht hier haben will, und zwar aus dem lä¬cherlichen Grunde, weil er dem Andenken Mendelssohn’s Eintrag thuen könnte, während gerade er die Sachen den Leuten in höchstmöglichster Vollendung vorführen würde, und mit größter Liebe es thäte. Ach, liebste Marie, ich bin manchmal ganz desperat, daß wir hier sitzen, und doch andrerseits ist es besser, als in Dresden, wo wir Nichts hatten, und Robert nicht einmal seine Sachen hören konnte. –
Vor wenig Tagen gab Robert sein Concert, wo er Kyrie und Gloria aus seiner Messe, den „Pagen“ und eine Symphonie (4 Sätze in einem Satze) aufführte. Es war ein schönes Concert, und das Publikum hier au¬ßergewöhnlich entzückt. Die Symphonie war aber auch wundervoll, voller Schwung (sie ist schon 10 Jahr alt) und Krafft, und dabei doch so reiz und anmuthvoll! ich hörte gestern |4| daß Einer unserer Bekannten einige Zeilen in die Signale schicken wolle – hoffentlich ist es nichts Dummes, und Sie lesen es dann, und brauchen also nicht mein specielles Referat.
Da fällt mir ein, liebe Marie, ich wüßte für den Chorgesangverein ei¬nen Dirigenten, der zwar noch sehr jung, aber ein liebenswürdiger ächter Künstler ist – Sie kennen ihn, Herrn Dietrich, und gewiß würde dieser gern solch einen Wirkungskreis übernehmen für einen kleinen Gehalt; den müßte er jedoch haben, und ein Jeder würde das wohl beanspruchen. Sie sollten einmal mit Bartheldes darüber sprechen.
Von uns kann ich Ihnen so weit Gutes sagen. Alle sind wir wohl, und mein Mann hat seit einigen Tagen wieder angefangen zu componiren.
Ich lege Einiges bei zu gütiger Besorgung und schreibe noch Näheres auf einen Zeddel. Eile hat es nicht damit, wenn ich es nur bis in einem Monate wieder habe. Noch Eines <h> aber möchte ich Sie bitten; ich möchte gern ein Stück gutes blauensches Zeug von Simon haben, zu Roulleaux, was man hier gar nicht bekömmt, oder enorm theuer. Wollen Sie nun wohl einmal |5| zu Simon gehen und ihn um einige Proben sol¬chen Zeuges (wie man es in Dresden zu Roulleaux’s gebraucht – ich glau¬be weiß ist es gestreift) <schicken> zu bitten, und mir zu schreiben was das Stück kostet, und wie viel Ellen es hält? am liebsten hätte ich 2 Ellen breites Zeug, damit ich keine Nath brauche. Diese Proben hätte ich aber gern recht bald, denn ich brauche nöthig Roulleaux’s.
Ich will versuchen heute noch einige Zeilen an die Bendemann zu schreiben, die Sie mir wohl freundlichst besorgen! – Emilie Heyden¬reich grüßen Sie von mir – ich kann aber nicht schreiben, die Zeit ist mir zu knapp zugemessen, und, offen gestanden, die Sympathie nicht groß genug. Das brauchen Sie ihr aber nicht zu sagen! – Auguste Gehe grüßen Sie auch herzlich, sowie Fink’s, Frankenberg’s auch, wenn Sie sie sehen! wären <sie in> wir in Dresden, so bekämen <> sie jetzt unsere 2 Jungen; oder, haben sie die Spielschule gar nicht mehr?
Meine Feder schreibt fürchterlich – Sie Aermste werden Sich quälen, mein Geschreibsel |6| zu entziffern. Ich will auch nun aufhören, denn bereits wartet eine Schülerin auf mich.
So seyen Sie mir denn recht herzlich gegrüßt, liebe Marie und schrei¬ben Sie bald, vor allem wie es Ihnen geht
Ihrer
Clara Schumann.
Ueber das, was ich Ihnen auf der dritten Seite meines Briefes schrieb, sprechen Sie, bitte, zu Niemand.
Nachschrift.
In das eine Tuch habe ich eine Nadel gesteckt, und wünschte eine eben Solche in Dresden gemacht zu haben; es ist dort ein armer Mann der sol¬che Sachen billig macht; ich habe den einen Knopf verloren, und er fehlt mir sehr, weil ich die zwei Nadeln immer zum Befestigen der Hauben benutzte. Wollen Sie aber gefälligst accordieren, was es kosten soll. Sollten Sie aber diesen Drechsler nicht ausfindig machen können, so schreiben Sie es mir, dann kann ich seine Adresse von Preussers bekommen, denn Ma¬dam P. hat mir die Nadeln geschenkt, und sie in Dresden machen lassen.

  Absender: Schumann, Clara, geb Wieck, Clara (3179)
  Absendeort: Düsseldorf
  Empfänger: Lindeman, Marie von (2605)
  Empfangsort:
  Schumann-Briefedition: Serie: II / Band: 22
Robert und Clara Schumann im Briefwechsel mit Korrespondenten in Dresden / Editionsleitung: Thomas Synofzik und Michael Heinemann / Herausgeber: Carlos Lozano Fernandez und Renate Brunner / Dohr / Erschienen: 2021
ISBN: 978-3-86846-032-2
1167-1171

  Standort/Quelle:*) D-Dl, s: Mscr. Dresd. App. 16, Nr. 23
 
*) Die Auflösung der Kürzel für Bibliotheken und
Archive finden Sie hier: Online Directory of RISM Library Sigla
 
 



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