Düsseldorf d. 28 Dec. 1860
Lieber Johannes,
hab Dank für Deine schöne Sendung, die mir nur leider erst gestern, Dein Brief erst am zweiten Feiertage zukam, nachdem ich am Weihnachtsabend ein freundliches Wort von Dir recht traurig vermißt hatte – ich meinte, immer, Frl. Leser hätte Dies für mich noch als Ueberraschung im Rückhalt, doch, vergebens!
Wie schöne Sachen hast Du mir aber geschickt, wie überraschten mich die Serenaden, die ich noch gar nicht fertig geglaubt, und nun gleich Beide so hübsch zusammen! und so Schönes zu lesen, herrliche Bücher sind das, und die |2| reizenden Buchzeichen dazu, die sollten mir wohl noch ganz besondere Lust zum Lesen machen? ich hab sie mir aber gut verwahrt in ein schönes Photographien-Buch, welches ich neulich schenkt erhielt. Uhland wollen wir noch zusammen lesen bevor ich nach Hamburg gehe. Die Serenaden spiele ich Morgen mit Dietrich, der jetzt hier ist – darauf freue ich mich schon wieder. Mit dem Schiller bin ich jetzt auch beinah fertig – es ist mir doch höchst interressant gewesen zu lesen, bin ich auch langsam vorwärts gekommen, weil ich selten Zeit habe. Aber, wie lieb muß man den Schiller haben! was hat der Arme gekämpft, und trotz aller trüben Erfahrungen doch die Menschen immer wieder geliebt, sich immer |3| wieder voll Vertrauen ihnen hingegeben – in dem Gedicht an die Freude, wie hat man da den ganzen Menschen mit seinem unendlich vollen liebewarmen Herzen! – Soll ich Dir das Buch mitbringen? willst Du’s lesen?
An Hallier’s habe ich nun geschrieben, angenommen; ich habe ihnen aber geschrieben sie möchten mich ja nirgends erwarten, Du würdest mich schon abholen und zu ihnen begleiten. Willst Du das? kannst Du nicht erfahren, wann der Omnibus der sich <an> dem Schnellzuge anschließt in Hamburg eintrifft? man nimmt dann von dort eine Droschke. Schreibe mir doch, wie es mit der Passage über die Elbe ist? ist sie etwa beschwerlich und ängstlich, so bleibe ich die Nacht in Harburg, und komme erst am 10ten |4| Morgens. In welchem Gasthof räthst Du mir dann in Harburg zu bleiben? ich glaube, ich komme ohnehin ziemlich spät dahin, kann es hier durchaus nicht erfahren, auch nicht, wann der Schnellzug Nachmittags von Hannover abgeht. Ich glaube Ave weiß es.
Alles Weitere laß ich, bis wir uns sehen! schreibe mir bald wegen der Reise und sey nochmals herzlichst gedanckt für Deine schönen Geschenke – hat Dir denn auch Meines ein wenig Freude gemacht?
Frohes Neujahr wünsche ich Euch Allen – Ihr werdet’s wohl bei’m Glase Punsch antreten – denke dann auch meiner, lieber Johannes.
Getreu
Deine
Clara.
Alle von hier grüßen.
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