Frankfurt a/M d. 21 Jan. 96.
Lange schrieb ich Dir nicht, nicht ’mal sandte ich Dir meine guten Wünsche für Deine Reise, und dachte doch so viel daran! aber, ich war gar zu sehr nieder gedrückt es war, und |2| ist noch immer so Vieles, was uns bekümmert und Sorgen macht. Marie geht es ja besser, sie kann doch halbe Tage lang wieder unten sein, aber eine große Sorge, der wir seit 8 Tagen ganz hingegeben sind, macht uns ganz muthlos. Louis hatte auf einer Jagdparthie vor 8 Tagen einen Schlaganfall, zwar leicht, wie die Aerzte sagen, |3| aber doch immer ernst genug. Elise reiste sogleich hin, mit welchem Herzen kannst Du Dir denken; 8 Stunden von hier liegt er in einem kleinen Jägerhaus, Alles mußte von dem 2 Stunden entfernten Reydt herbeigeholt werden. Er hat Tag und Nacht Aerzte bei sich, die alle Hoffnung ihn hergestellt zu sehen, hegen, vorläufig aber kann er noch nicht sprechen, was ihn selbst ganz verzweifeln läßt – er ist |4| bei Bewußtsein. Eben kommt sein Robert und sagt uns, daß er morgen hinreist, u. daß der Papa am Freitag hierher transportirt werden soll. Das ängstigt uns nun sehr, denn die größte Vorsicht ist nöthig einen 2ten Anfall zu verhüten. Die arme Elise! was doch der Mensch alles durchzumachen hat!
Du hast wieder so herrliche Aufnahmen gehabt – ich habe alles mit dem alten treuen Herzen verfolgt, das weißt Du, wenn ich auch schwieg. Ich selbst bin gar nicht wohl, schließe daher auch mit den herzlichsten Grüßen. Deine alte Clara.
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV
4 Karlsgasse.
|