Frankfurt a./M., den 18. März 1893.
Lieber Johannes,
ich bin zwar recht unwohl, aber ich muß Dir doch ein Wort senden, nachdem ich endlich das entzückende Quintett gehört! Wie herrlich ist das, wie rührt es einen! In der innigen Verschmelzung der Instrumente, die sanft und wieder energisch klagende Klarinette, wie ist man so ganz hingenommen! Das Adagio, wie rührend, dann der Mittelsatz so wunderbar interessant, ach, ich fühle die Unzulänglichkeit des Wortes für mein Empfinden! Wie spielt der Mann aber auch, es ist ja, als ob er für Dein Werk geschaffen wäre. Diese innige Einfachheit und die Feinheit seiner Auffassung! Welchen Genuß habe ich gehabt! Aber denke Dir mein Mißgeschick: ich hörte die zweite Probe nicht, und zwar hatte ich mich in dem kalten Zimmer Heermanns so erkältet, daß ich am anderen Morgen liegen bleiben mußte. Das war doch hart! Ich will aber nicht klagen, der Genuß, den ich gehabt, lebt in mir – dafür bin ich dankbar.
Hier hat vor einigen Tagen Dr. Rottenberg im Theater dirigiert, auch Deine Haydn-Variationen, und alle Musiker für sich eingenommen – er wird wohl die Stelle Dessoffs bekommen. Clara Wittgenstein erzählte mir, daß Du ihn sehr gut kennest. So können wir uns dieses Musikers wohl freuen?
Im Cäcilienverein sind große Debatten, Kogel ist unterlegen! Rudorff möchte gar gern die Stelle haben, ich fürchte aber, es ist vergebliches Hoffen.
Nun noch wärmsten Gruß
Deiner alten
Clara.
[Umschlag]
Herrn
Dr Johannes Brahms.
Wien IV.
4 Karlsgasse.
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