Berchtesgaden Pension Moritz
d. 25 Aug. 1891.
Liebster Joachim,
das war eine freudige Ueberraschung, die Ihre lieben Zeilen uns brachten. Nun gehen wir aber gar nicht nach Baden, weil wir da den ganzen Mai waren, sondern am 3ten oder 4ten Sept. nach München, dort bleiben wir <bis> etwa 4 Tage, gehen dann auf 2 Tage nach Heidelberg, <etwa> um namentlich dort Kussmaul zu consultiren, und denken bis 10–11ten zu Haus in Frankfurt zu sein. Vielleicht besuchen Sie uns ein paar Tage in Frankf? aber allerdings sind wir erst am 11ten sicher zu Haus. Kämen Sie nach München, dort fänden Sie uns im Hôtel Marienbad 5, 6, 7ten denke ich sicher. Nicht wahr, Sie richten es ein daß wir Sie sehen! – Ich habe einen schlechten Sommer verbracht, war immer recht leidend, genoß nicht eine Stunde zur andren mit Behagen, und bin jetzt seit 8 Tagen ganz tief melancholisch, voll der traurigsten Gedanken. Ich erhielt vor 8 Tagen die Nachricht, daß Livia Frege schwer krank sey, man habe sie operirt und ihr Leiden sei unheilbar. Gestern kam die Todesnachricht. Sie war meine älteste Freundin, die schönsten Erinnerungen unserer Jugendzeit verbanden uns, und nun ging sie dahin, wie bald folgen wohl auch die paar anderen theueren Freundinnen, Lida, Emma Preusser, und ich verliere sie Alle, (wenn ich leben bleibe) die mir so treu anhingen. Das ist schrecklich! Doch, lieber Freund, fürchten Sie sich nicht vor mir, Ihr Anblick wird mich zerstreuen, und giebt mir Freude, wer weiß, wie oft dies mir noch beschieden ist! – Sehr lieb wären mir einige Worte, wo wir Sie sehen werden? Ich hoffe Tarasp thut seine Schuldigkeit an Ihnen! Leben Sie wohl! Marie grüßt herzlichst mit mir
Ihrer
alten
treuen
Clara Schumann.
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